Weltweit entzieht die Aufrüstung den Gesellschaften gigantische Ressourcen: Mittel, die dringend für zivile Zwecke gebraucht würden: primär zur Bekämpfung des weltweiten Hungers, der Unterentwicklung und des Klimawandels – und auch hierzulande zur Wiederherstellung der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur für alle. Laut SIPRI wurden 2021 weltweit erstmals über 2 Billionen (2.000.000.000.000) Dollar für Rüstung und Militär ausgegeben.
Der Krieg in der Ukraine zeigt, welche katastrophalen Folgen die Erosion der Architektur der Abrüstungsverträge hat, die seit dem Ende des Kalten Krieges noch vor 1990 für relative Sicherheit und Stabilität in Europa gesorgt hatten. Damals hatten sich die Präsidenten der Sowjetunion und der USA, Gorbatschow und Reagan, entschlossen, auf der Grundlage „gleicher und unteilbarer Sicherheit“ ihre Atomstreitmächte substantiell zu reduzieren. Die daraufhin einsetzende militärische Entspannung brachte Europa und der Welt eine fast 20-jährige sogenannte Friedensdividende, in der substantiell weniger Mittel für Rüstung und Militär verschwendet und für zivile Zwecke frei wurden.
Mit der Aufkündigung des ABM-Vertrags 2002, der Weigerung von 2005, den A-KSE-Vertrag über konventionelle Rüstungsbegrenzung in Europa zu ratifizieren, der Aufkündigung des INF-Vertrags 2019 und des Open-Skies-Abkommens 2020 zogen sich zuerst die USA und andere NATO-Staaten Stück für Stück aus dieser Struktur gemeinsamer Sicherheit zurück.
Die Ukraine-Krise 2014 mit der Sezession und der nachfolgenden Annexion der Krim durch Russland nahm die NATO zum Anlass, ihr bis dahin größtes Aufrüstungsprogramm auf den Weg zu bringen, nach dem jedes ihrer Mitgliedsländer zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär und Rüstung ausgeben soll. Die weitere Eskalation der Situation 2022 mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine zeigt jedoch, dass Aufrüstung mitnichten für mehr Sicherheit sorgt. Die neue Bundesregierung nimmt dies jedoch nicht zur Kenntnis, im Gegenteil: In einem noch gigantischeren Umfang soll ab 2022 auch hierzulande noch schärfer aufgerüstet werden: Über fünf Jahre soll die Bundeswehr jetzt zusätzlich über 100 Mrd. Euro geschenkt bekommen, um dem Zwei-Prozent-Dogma der NATO zu genügen.
DIE LINKE. sieht die Bundeswehr mehr als ausreichend finanziell ausgestattet, um ihre verfassungsgemäße Aufgabe, die Landesverteidigung, erfüllen zu können – sie ist schon jetzt mit einem Budget von über 53 Mrd. Euro nach NATO-Kriterien die teuerste Armee der europäischen NATO-Staaten. Die Realisierung des Zwei-Prozent-Ziels, d. h. eine Anhebung des Verteidigungsaushalts um fast die Hälfte, wie jetzt von der Ampelregierung geplant, lehnen wir kategorisch ab. Dies wäre nicht nur ein inakzeptabler Abfluss gesellschaftlicher Ressourcen. Der Umstand, dass dann allein die Bundesrepublik Russland bei den Verteidigungsausgaben überholen würde (bei einer schon jetzt zwei- bis dreifachen militärischen Überlegenheit der europäischen NATO-Staaten bei Personal und schweren Waffen), zeigt die militärische Sinnlosigkeit und das verheerende sicherheitspolitische Signal, das davon ausgehen würde. In Europa ist – gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine – der Beginn eines Dialogs über die militärische Situation überfällig, ebenso wie Schritte und Vereinbarungen, die zwischen Russland und den Staaten der NATO wieder Vertrauen aufbauen. Wir treten dafür ein, dass die Bundesrepublik einen solchen Dialog maßgeblich auf den Weg bringt. DIE LINKE. setzt sich ein für den Beginn umfassender Verhandlungen mit dem Ziel, nach dem Vorbild des A-KSE-Vertrags eine vertragliche Regelung zur umfassenden Abrüstung in Europa und weltweit zu erreichen. Was noch vor 1990 möglich war, muss heute auch möglich sein.