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Afghanistan-Krieg

Themenpapiere der Gruppe

Seit genau 20 Jahren ist die Bundesrepublik an Krieg und Besatzung in Afghanistan beteiligt. Im Schlepptau der USA verband Rot-Grün im Jahr 2001 die Zustimmung zum Kriegseinsatz mit der Vertrauensfrage im Parlament. Damit wurden alternative, friedliche Wege der Bearbeitung des Konflikts mit den damals in Kabul regierenden fundamentalistischen Taliban um die Beherbergung von Al-Quaida verschlossen. Heute zeigt dieser Kriegseinsatz eine verheerende Bilanz: Bei willkürlich wechselnden Strategien und Zielvorgaben wurden zu Zeiten des ISAF-Mandats bis zu 10.000 Bundeswehrsoldaten gleichzeitig im Norden Afghanistans eingesetzt. Die Trainingsmission Resolute Support Mission (RSM) setzte dann ab 2014 die westliche Militärpräsenz zur Militärausbildung fort.  59 Bundeswehrsoldaten bezahlten diese Mandate mit ihrem Leben, tausende von ihnen kehrten traumatisiert zurück.  Auch die Bundeswehr hat zivile Tote zu verantworten. So wurden am 4.9.2009 in Kunduz im Norden Afghanistans bei einem Luftangriff, der von einem deutschen Oberst ausgelöst worden war, 142 Menschen umgebracht, darunter viele Zivilisten.

Die Bilanz des Feldzuges für das Land fällt erschütternd aus. Weder wurde der internationale Terrorismus ausgemerzt. Er ist stark wie nie und global vernetzt, von Mali bis Indonesien.

Noch konnte Afghanistan stabilisiert werden. Zu Buche stehen bis zu 185 000 zivile Opfer, viele Frauen und Kinder, 66 000 tote afghanische Soldaten und Polizisten, 3 600 tote Soldaten der Allianz.  Die Taliban verübten grausame Anschläge, der brutale Inlandsgeheimdienst der afghanischen Regierung, NDS, brachte hunderte Menschen um. Die humanitäre Situation ist katastrophal, wie die Berichte der UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) zeigen: Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe im Land angewiesen sind, hat sich seit Anfang 2020 von 9,4 Millionen auf 18,4 Millionen verdoppelt. Allein im vergangenen Jahr sind laut aktuellen Zahlen von UN-OCHA knapp 380.000 Menschen innerhalb des Landes vor Kämpfen und Gefechten aus ihren Dörfern und Städten geflohen. Über 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge sind weltweit im Ausland registriert. Es gibt 4 Millionen Kinder, die nicht zur Schule gehen, die Korruption galoppiert, und nach 20 Jahren leben 72 Prozent der Afghanen unter der Armutsgrenze.

Diese Fakten wurden durch die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien jahrzehntelang beschönigt und weggeredet. Damit haben verschiedene Bundesregierungen seit 2001 sich selbst, das Parlament und die Öffentlichkeit betrogen. Dies ist auch der Grund, warum die jetzige Bundesregierung die aktuelle Lage in Afghanistan völlig falsch eingeschätzt und Warnungen vor einem raschen Siegeszug der Taliban so lange ignoriert hat. Sie hat damit tausende Menschen der Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Die Fraktion DIE LINKE hatte am 24. Juni 2021 die rasche Evakuierung der Ortkräfte im Bundestag zur Abstimmung gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. In der Folge wurden die Ortkräfte im Stich gelassen.

Der Zusammenbruch der vom Westen finanzierten Regierung in Kabul in so kurzer Zeit nach dem Verlassen der NATO-Streitkräfte zeigt: Sie hatte keinen Rückhalt im Land. Die Perspektive eines endlosen weiteren Krieges war weder für das afghanische Militär noch für die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ertragbar.

Noch bei den Bemühungen um eine Evakuierung der Ortskräfte zeigte sich aber, wie die deutsche Außenpolitik auch nach 20 Jahren weiterhin dem Paradigma der Militarisierung folgt: Während z.B. Indien seine Evakuierung ausschließlich mit zivilen Kräften absolvierte, folgte die deutsche Bundesregierung den USA und GB, und ermächtigte die Evakuierungsmission der Bundeswehr mit einem sog. robusten Mandat auch zur eigenmächtigen Anwendung militärischer Gewalt (die Anwendung von Waffengewalt zur Notwehr ist immer unbenommen). Angesichts der militärischen Kontrolle durch rund 20 000 Talibankämpfer in und um Kabul war dies eine gefährliche Mandatierung zur Eskalation: Jeglicher Schusswaffengebrauch gegen die Taliban am Flughafen Kabul hätte das Leben von Tausenden Flüchtenden gefährdet.

Die jetzt beginnenden Verhandlungen in Kabul zur - nunmehr zivilen - Fortsetzung der Evakuierung lassen hoffen, dass zumindest einige der Schutzsuchenden noch das Land verlassen können. Dieses Ende versinnbildlicht auf schlimme Weise das Scheitern des westlichen Interventionismus, der Ländern des globalen Südens willkürliche Zielvorstellungen militärisch aufoktroyieren will.

Die Fraktion DIE LINKE hat als einzige Fraktion seit Anbeginn den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert, und hat als einzige Fraktion im Bundestag von Beginn an gegen die Militäreinsätze in Afghanistan im Rahmen von OEF, ISAF und jetzt RSM gestimmt. Wir wollen einen zivilen Wiederaufbau des Landes. Gemeinsam mit Aktivistinnen und Aktivisten aus Afghanistan setzt sich die Fraktion DIE LINKE. auch unter den neuen Bedingungen für die Stärkung von demokratischen Kräften und insbesondere von Frauen in Afghanistan ein.

Wir verurteilen die furchtbaren Terroranschläge am Flughafen in Kabul durch den IS am 26. August 2021. Zugleich warnen wir vor einer deutschen Unterstützung eines neuen Krieges der USA gegen den Terror in Afghanistan, der da er viele Unschuldige treffen wird, lediglich den islamistischen Terror weiter stärken wird. Der Kampf gegen den islamistischen Terror kann gewonnen werden, ein Krieg gegen den Terror nicht.

DIE Fraktion DIE LINKE fordert auch als Lehre aus dem Afghanistan-Krieges die Beendigung aller Auslandeseinsätze der Bundeswehr, insbesondere des Einsatzes in Mali unter Vorlage des Plans einer zeitgleichen Evakuierung aller Ortskräfte aus dem Land.