Viele Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und Pflegebedarf können nur mittels persönlicher Assistenz am gesamtgesellschaftlichen Leben (Bildung, Arbeit, Freizeit, Elternschaft usw.) teilhaben. Diese Assistenz wird jedoch oft gar nicht oder nicht bedarfsdeckend ermöglicht.
Das von der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD beschlossene Bundesteilhabegesetz (BTHG) bringt zwar einige Verbesserungen, beispielsweise bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen (insbesondere der Angehörigen) und die Einführung des Budgets für Arbeit. Aber mit dem BTHG werden auch wieder neue Probleme geschaffen und alte Probleme zementiert. Dazu gehören unter anderem das Festhalten an Kostenvorbehalten, die Ermöglichung von Zumutbarkeitsprüfungen und die Einführung gemeinschaftlicher Leistungserbringung (sogenanntes Zwangspooling). Auch erhalten die Länder weitgehende Befugnisse bei der konkreten Ausgestaltung von Leistungen oder Feststellungsverfahren.
Dies führt dazu, dass Teilhabeleistungen und damit auch die persönliche Assistenz nicht in allen Lebensbereichen bedarfsdeckend gewährt werden – wie beispielsweise im Ehrenamt oder bei der Freizeitgestaltung. Ebenso wird es weiterhin möglich sein, Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf gegen ihren Willen in Einrichtungen zu halten oder sie dorthin zu verweisen.
Dies ist ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen und widerspricht der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Es fehlt auch ein Fahrplan zum Ausstieg aus der Anrechnung von Einkommen und Vermögen der Leistungsberechtigten. Von einer Herauslösung aus dem Fürsorgesystem und von der Schaffung eines modernen Teilhaberechts, welches den Anforderungen der rechtsverbindlichen UN-BRK umfassend entspricht, sind wir noch weit entfernt. Die noch kurz vor Ende der 19. Legislaturperiode beschlossenen Regelungen zur Mitnahme von Assistenzkräften ins Krankenhaus sind nicht ausreichend. Viele assistenzbedürftige Gruppen und Gesundheitseinrichtungen bleiben davon ausgenommen.
Die Fraktion DIE LINKE fordert:
- Die menschenrechtskonforme Überarbeitung des Teilhaberechts mit dem Ziel der Gewährleistung einer vollen und wirksamen Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen, gemäß der UN-BRK mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, ohne dass ihnen eine Lebensform – zum Beispiel im Heim – aufgezwungen wird.
- Dafür ist flächendeckend eine soziale, inklusiv ausgestaltete Infrastruktur und umfassende Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu schaffen.
- Ein Rechtsanspruch für Menschen mit Behinderungen auf bedarfsdeckende und vollständig einkommens- und vermögensunabhängige Teilhabeleistungen ist festzuschreiben.
- Die bedarfsdeckende persönliche Assistenz ist als Teilhabeleistung in jeder Lebenslage und -phase sowie in jedem gesellschaftlichen Bereich zu garantieren.
- Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sowie mit Pflegebedarf, die Assistenz benötigen und diese nicht über das Arbeitgebermodell organisieren, muss bei notwendigen Aufenthalten in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie in Hospizen die Mitnahme von Assistenz-/Pflegekräften gewährleistet werden. Die Finanzierung muss wie bei anderen Assistenzleistungen über die Eingliederungshilfeträger des SGB IX erfolgen.
- Die Teilhabeleistungen sind so zu bemessen, dass die Assistenzkräfte faire, gute und gesunde Arbeitsbedingungen vorfinden und tarifliche Entlohnung und Eingruppierung garantiert werden. Ein Berufsbild Assistenz ist zu entwickeln und es sind Weiter- sowie Fortbildungen nach bundesweit einheitlichen Standards zu ermöglichen.
- Verantwortliche Entscheidungsstellen sind einzurichten. Diese sind bundesweit einheitlich zuständig für die Antragsannahme, Anspruchsprüfung und -feststellung sowie die Bedarfsermittlung. Sie bewilligen die Leistungen und sichern die Leistungsverpflichtung der Rehaträger. Dieses Verfahren muss unter aktiver Beteiligung der Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen diskriminierungsfrei ausgestaltet werden.
- Die Leistungen sind personen- und nicht ortsgebunden. Die Teilhabeansprüche von Menschen mit Behinderung haben das Geschlecht, den Migrationshintergrund und die sexuelle Vielfalt der Betroffenen ohne Benachteiligung zu berücksichtigen.
Wenn den Kommunen hierbei Aufgaben übertragen werden, müssen die entsprechenden finanziellen Mittel auch durch den Bund bereitgestellt werden.