Seit Jahren ist die Lage am Ausbildungsmarkt für Jugendliche sehr angespannt. Unternehmen und Wirtschaft ziehen sich kontinuierlich aus der Ausbildung neuer Fachkräfte zurück: nicht einmal mehr jeder fünfte Betrieb bildet überhaupt noch aus. Zeitgleich werden immer weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen. Dabei gehen insbesondere junge Erwachsene, die maximal einen Hauptschulabschluss haben oder solche mit Zuwanderungshintergrund leer aus. Sie sind faktisch vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen und landen in der Regel in den Maßnahmen des Übergangssystems (Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr und Berufseinstiegsjahr). In diesen zumeist unnötigen Warteschleifen befinden sich nach wie vor über eine viertel Million junger Menschen. Davon erhalten viele im Anschluss keine vollqualifizierende Berufsausbildung. In der Folge stehen rund zwei Millionen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsausbildung da. Die Coronapandemie verschärft die ohnehin schon schwierige Situation deutlich. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass viele Ausbildungsplätze infolge von Insolvenzen und dauerhaften Schließungen von Betrieben verloren gehen.
Während auf der einen Seite in den vergangenen Jahren immer weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen werden und viele Jugendliche keinen Ausbildungsvertrag erhalten, können immer mehr Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. Diesen widersprüchlichen Umstand führt die Bundesregierung auf sogenannte Passungsprobleme zurück. Ein genauer Blick zeigt aber, dass insbesondere bestimmte Berufszweige wie zum Beispiel im Bereich des Lebensmittelhandwerks, der Gastronomie und des Reinigungsgewerbes von Besetzungsproblemen betroffen sind und die Abbrecherquote sehr hoch ist. Auch wenn es viele unterschiedliche Gründe für Ausbildungsabbrüche gibt, kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass starke Besetzungsprobleme und hohe Abbrecherquoten in bestimmten Berufszweigen oftmals mit einer geringen Ausbildungsqualität einhergehen. Hier spielen vor allem zentrale Probleme wie Arbeitszeiten, Überstunden, Nichteinhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und fachlich ungenügende Anleitung eine Rolle. Auch die regelmäßige Erledigung ausbildungsfremder Tätigkeiten, die Qualität der Berufsschule sowie eine geringe Ausbildungsvergütung tragen zu einer negativen Bewertung der Ausbildungsqualität bei. Auszubildendenmangel ist hier also vor allem ein hausgemachtes Problem. Auch wenn die Bundesregierung viele Programme wie beispielsweise die Assistierte Ausbildung auf den Weg gebracht hat, um junge (und insbesondere benachteiligte) Erwachsene bei der Ausbildung zu unterstützen, erhöhen diese allein nicht automatisch die Ausbildungsqualität. Anstelle von zeitlich befristeten Programmen schlägt DIE LINKE grundlegende Maßnahmen vor, um gute Ausbildung für alle zu gewährleisten:
- Es muss ein Rechtsanspruch auf Ausbildung im Grundgesetz verankert werden, sodass allen jungen Menschen eine vollqualifizierende, mindestens dreijährige Ausbildung ermöglicht wird.
- Um ausreichend Ausbildungsplätze zu schaffen, dürfen sich die Unternehmen nicht länger aus der Verantwortung stehlen. Es muss eine solidarische Umlagefinanzierung geschaffen werden, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt.
- Es muss eine Mindestausbildungsvergütung gesetzlich festgelegt werden, die einheitlich bei 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen aller Branchen des jeweiligen Ausbildungsjahres liegt. Die Tarifbindung muss generell gestärkt werden.
- Die Mindestausbildungsvergütung ist für alle Auszubildenden sowohl im dualen System als auch in schulischen Ausbildungsberufen zu zahlen. So lange es keine andere gesetzliche Regelung gibt und soweit keine Ausbildungsvergütungen in Höhe der Mindestausbildungsvergütung gezahlt werden, erfolgt diese in Form eines Ausbildungsgeldes. Für die Finanzierung der Kosten der praktischen Ausbildung soll das Modell der Ausbildungsumlage eingeführt werden, bei dem alle Träger der Praxis-Einrichtungen einen bestimmten Betragsanteil (z.B. in Prozent der Personalkostensumme) in einen Fonds abführen, aus dem die Kosten der Ausbildung einschließlich des Ausbildungsentgelts refinanziert werden.
- Das Berufsbildungsgesetz muss dringend novelliert werden. Ziel ist es, den Auszubildenden eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten, ihnen mehr Schutz vor Ausbeutung und mehr betriebliche Mitspracherechte zuzugestehen. Zudem sollen sich die Rahmenbedingungen für die ehrenamtlichen Prüfer:innen verbessern.
- Die Berufsschulbildung muss verbessert und gestärkt werden: hierfür sind zusätzliche Mittel für die personelle und sächliche Ausstattung notwendig. Einheitliche und verbindliche Standards zu Dauer und Umfang der Berufsschulpflicht müssen in allen Landesgesetzen verankert werden. Zudem sollen in den Ländern Regelungen zur Lernmittelfreiheit für den Besuch der Berufsschule und zur Erstattung der Kosten für die Schülerbeförderung zum Ort der Berufsschule getroffen werden.
- Das Übergangssystem muss reformiert werden. Hierzu sollen die vielfältigen schulischen und außerbetrieblichen Berufsausbildungsvorbereitungsformate (Bund und Länder) auf wenige nach-weislich erfolgreiche Formate reduziert werden. Formate mit mindestens 50-prozentigem betrieblichem Anteil und mit dem Erwerb eines Schulabschlusses sollen dabei Priorität haben. Produktionsschulen und Einstiegsqualifizierungen sind auszubauen. Zudem sind multiprofessionelle Ausbildungsteams nötig, um individuelle, bedarfsgerechte Regelförderung für alle umzusetzen. Diese Maßnahmen müssen dauerhaft und regelfinanziert werden.