Das biometrische Risiko der Invalidität wird von der gesetzlichen Rentenversicherung mit den Erwerbsminderungsrenten abgedeckt: Wer so krank wird, dass sie oder er nicht mehr arbeiten kann, hat, solange die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden, grundsätzlich den Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Ist eine Erwerbsarbeit im Umfang von mehr als drei Stunden täglich nicht mehr zumutbar, besteht Anspruch auf eine „Rente wegen voller Erwerbsminderung“. Ist eine Erwerbsarbeit im Umfang von drei bis sechs Stunden täglich noch zumutbar, besteht ein Anspruch auf eine „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung“.
Für die Berechnung der Höhe einer vollen Erwerbsminderungsrente wird zunächst auf die bisherige individuelle Erwerbsbiographie geschaut. Die im Versicherungsverlauf durchschnittlich erworbenen Rentenentgeltpunkte werden fiktiv bis zu einem bestimmten Alter fortgeschrieben („Zurechnungszeit“). Diese Zurechnungszeit wurde in den vergangenen Jahren durch verschiedene Gesetze schrittweise ausgeweitet und liegt für Menschen, bei denen die Erwerbsminderung im Jahr 2021 eintritt, bei angemessenen 65 Jahren und 10 Monaten – LINKS wirkte, denn die Verlängerung der Zurechnungszeit hatten wir stets gefordert. Bis zum Jahr 2031 wird das Ende der Zurechnungszeit schrittweise bis zum vollendeten 67. Lebensjahr angehoben werden.
Allerdings galten die Verbesserungen der Zurechnungszeiten immer nur für Rentenneuzugänge, der Rentenbestand ging jedes Mal leer aus. Die Unterschiede sind jedoch beträchtlich: Bei Erwerbsminderungsrenten, die im Jahr 2018 begannen, endet die Zurechnungszeit schon mit dem vollendeten 62. Lebensjahr und drei Monaten – vorher war sie sogar noch niedriger.
Anschließend wird die so errechnete Rentenhöhe für jeden Monat, den die Erwerbsminderung vor dem aktuell (2021) geltenden Referenzalter von 64 Jahren und sechs Monaten um 0,3 Prozent gekürzt – der maximale Abschlag beträgt 10,8 Prozent. Mit dieser Leistungskürzung werden Erwerbsgeminderte zusätzlich für ihre Krankheit bestraft. Eine „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung“ ist grundsätzlich halb so hoch wie die „Rente wegen voller Erwerbsminderung“.
Aufgrund der willkürlichen und unsozialen Abschläge sowie den (zumindest für die Rentenzugänge vor dem 01.01.2019) unzureichenden Zurechnungszeiten fallen die Erwerbsminderungsrenten häufig sehr niedrig aus. Außerdem sind Erwerbsgeminderte (so wie alle anderen Rentnerinnen und Rentner auch) von der Rentenkürzungspolitik der vergangenen 20 Jahre betroffen. Verminderte Erwerbsfähigkeit ist somit eines der größten Armutsrisiken in Deutschland.
Die Hürden, um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, sind außerdem sehr hoch und das Zugangsverfahren ist für die Betroffenen im hohen Maße intransparent. Knapp jeder zweite Antrag wird abgelehnt.
Die Fraktion DIE LINKE fordert:
- Den Zugang zur Erwerbsminderungsrente zu erleichtern.
- Auch den Rentenbestand von den in den vergangenen Jahren sukzessive vorgenommenen Verbesserungen bei den Zurechnungszeiten profitieren zu lassen.
- Die unsozialen Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten ersatzlos zu streichen bzw. einen wertgleichen Ausgleich für diese zu schaffen.
- Das Rentenniveau auf 53 Prozent (ohne den rein statistischen Revisions-Effekt ab dem 01. Juli 2021) anzuheben.