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Bürgergeld/Hartz IV

Themenpapiere der Gruppe

Seit dem 01. Januar 2023 gibt es das Bürgergeld. Ist Hartz IV damit abgeschafft? Nein, es wurde nur erneut reformiert – und immerhin an vielen Stellen auch verbessert, weil Gewerkschaften, Verbände und auch die LINKE jahrelang Druck gemacht haben. Zu den Punkten, die auf langjährige Forderungen der LINKEN reagieren, gehört das Weiterbildungsgeld und die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs.

Aber an entscheidenden Stellschrauben ändert sich nichts oder zu wenig:

Zum einen bleibt es bei den kleingerechneten Regelsätzen. Sie wurden zum 01. Januar 2023 nur an die steigenden Preise angeglichen. An der völlig unzureichenden Kaufkraft hat sich nichts geändert. Damit bedeutet auch das neue Bürgergeld Armut und Ausgrenzung per Gesetz. Aktuell hat ein Alleinstehender einen Anspruch auf 502 Euro pro Monat. Menschen in Partnerschaften erhalten je 451 Euro, Kinder und Jugendliche altersabhängig zwischen 318 und 420 Euro. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese Beträge z. B. für eine gesunde Ernährung viel zu niedrig sind. Sie beruhen auf mehreren Rechentricks, mit denen das Existenzminimum seit 2010 kleingerechnet wird. Verbände und Fachleute kritisieren die Berechnung seit Jahren. Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass die Bundesregierung damit an die Grenze des Verfassungsgemäßen geht. Auf diesen kleingerechneten Beträgen basiert auch das Bürgergeld. Ohne massiv erhöhte Regelsätze wird ein „Bürgergeld“ seinem Namen nicht gerecht, sondern ist buchstäblich ein Armutszeugnis!

Ohne Rechentricks und mit einem realistischen Inflationsausgleich müsste der Regelsatz um mindestens 200 Euro angehoben werden. Das ergibt sich aus einer Berechnung des Statistischen Bundesamtes für die Fraktion DIE LINKE. Die ausführliche Kritik an der geltenden Berechnung und die Begründung der Alternativen finden sich in dem Hintergrundpapier von Katja Kipping aus dem Jahr 2016, das leider immer noch aktuell ist, sowie in unserem Antrag „Regelsatz ehrlich berechnen – Sonderzahlungen reichen nicht aus“.

Zum anderen sind weiterhin Sanktionen vorgesehen, und dies nicht nur in Ausnahmefällen. Zwar hat sich seit den Corona-Ausnahmen der Jahre 2020 und 2021 und erst recht mit dem Sanktions-Teilmoratorium von August bis Dezember 2022 die Erkenntnis verbreitet, dass Sanktionen kontraproduktiv sind. Das ist immerhin ein Erfolg. Sanktionen gehören aber komplett abgeschafft, denn: Sie führen zu Mangellagen und kürzen das ohnehin kleingerechnete Existenzminimum. Arbeitsmarktpolitisch sind sie kontraproduktiv, weil sie die Aufnahme nachhaltiger Arbeit erschweren und die Position von Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern. Außerdem diskriminieren sie Menschen mit niedrigem Bildungsgrad und treffen auch Kinder.

Betroffen davon sind nicht nur Arbeitslose, sondern alle erwerbsfähigen Menschen, die im Sinne des Gesetzes „bedürftig“ sind, also kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen haben, sowie ihre Kinder. Mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Bezieher:innen der Grundsicherung sind nicht arbeitslos. Sie sind stattdessen z. B. prekär erwerbstätig und müssen ihren geringen Lohn aufstocken; oder sie können aus guten Gründen keinem Beruf nachgehen, weil sie Kinder erziehen oder Angehörige pflegen.

Auch das Missverhältnis zwischen Arbeitslosenversicherung und bedürftigkeitsgeprüfter Sozialleistung bleibt mit dem Bürgergeld bestehen: Seit den Hartz-Gesetzen ist man im Falle langfristiger Arbeitslosigkeit nicht mehr durch die Arbeitslosenversicherung – und damit durch eine Sozialversicherung –, sondern durch die Grundsicherung als eine Form der Sozialhilfe abgesichert. Leistungen gibt es deshalb erst nach einer Bedürftigkeitsprüfung. Daran hat sich auch mit dem Bürgergeld nichts geändert.

Das Bürgergeld enthält also viele Verbesserungen, die den Alltag von einigen Betroffenen fühlbar erleichtern werden. In diesen Bereichen hat der Druck gewirkt, den Erwerbsloseninitiativen, Wohlfahrts- und Sozialverbände und die LINKE im Bundestag seit anderthalb Jahrzehnten ausgeübt haben und dem sich die Gewerkschaften angeschlossen haben. LINKS wirkt.

Die wesentlichen Verbesserungen betreffen allerdings nicht die langjährig Betroffenen, sondern Menschen aus der Mittelschicht, die zukünftig erwerbslos werden: Von den Schonfristen bei der Miete und dem Vermögensschutz profitiert nur, wer überhaupt noch eine große Wohnung und Vermögen hat. Damit kann man die unzureichenden Regelsätze erstmal ausgleichen. Aber für Menschen, die schon lange in Armut und Ausgrenzung leben müssen, ändert sich kaum etwas, denn sie haben schon lange kein Vermögen und keine große Wohnung mehr. Die zentralen finanziellen Verbesserungen des Bürgergelds gehen also genau an denjenigen vorbei, denen es ökonomisch am schlechtesten geht.

Die Fraktion DIE LINKE fordert eine wirkliche Überwindung von Hartz IV durch eine bedarfsdeckende, individuelle und sanktionsfreie Mindestsicherung und eine Kindergrundsicherung:

  • Als Sofortmaßnahme muss der Regelsatz für Erwachsene um mindestens 200 Euro pro Monat und müssen die Regelsätze für Kinder um mindestens 100 Euro angehoben werden. Die Kosten für Strom und große Haushaltsgeräte müssen ergänzend übernommen werden. Auch Sanktionen müssen umgehend komplett abgeschafft werden.
  • Danach soll eine Sanktionsfreie Mindestsicherung eingeführt werden, die bei rund 1.200 Euro netto im Monat liegt (inklusive Miete und sonstige Wohnkosten, in Ballungsräumen zuzüglich Wohngeld). Es gibt keinerlei Sanktionen. Einen Anspruch auf die Sanktionsfreie Mindestsicherung soll haben, wer als Erwachsener unterhalb des Rentenalters über kein ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügt. Dabei sollen selbstgenutztes Wohneigentum in ortsüblichem, durchschnittlichem Umfang sowie Vermögen bis zu 60.000 Euro und eine angemessene Altersvorsorge nicht angerechnet werden.
  • Für Kinder und Jugendliche soll es eine Kindergrundsicherung geben. Dabei wird das Kindergeld auf 328 Euro im Monat erhöht. Kinder aus armen Familien erhalten zusätzlich einen Zuschlag, sodass Kinder bis 5 Jahre bis zu 520 Euro erhalten, 6- bis 13-jährige Kinder bis zu 603 Euro und Jugendliche ab 14 Jahren 630 Euro. Wohn- und Heizkosten bis 149 Euro monatlich sind darin pauschal berücksichtigt.

Außerdem muss der Schutz durch die Arbeitslosenversicherung wieder gestärkt werden:

  • Die Arbeitsförderung muss prekäre Beschäftigung aktiv bekämpfen und gezielt auf nachhaltige Arbeitsförderung und Vermittlung in gute Arbeit auszurichten. Sowohl Erwerbslose als auch Beschäftigte brauchen mehr und bessere Weiterbildung. Das Weiterbildungsgeld muss von 150 auf mindestens 200 Euro pro Monat erhöht werden.
  • Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld muss schneller entstehen (ab vier Monaten), bessere Leistungen garantieren (68 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts) und länger gelten. Außerdem soll ein Arbeitslosengeld Plus eingeführt werden, das sich an das Arbeitslosengeld anschließt und 58 Prozent des Nettoentgelts beträgt. Es soll genauso lange bezogen werden wie das vorherige Arbeitslosengeld, bei 30-jähriger Versicherungszeit unbefristet.

Ein weiterer Schritt ist wichtig, um Hartz IV zu überwinden:

  • Um Armut trotz Arbeit zu verringern, ist der gesetzliche Mindestlohn auf 13 Euro pro Stunde anzuheben. Alle Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn sind aufzuheben.

Mehr Informationen finden Sie in unserem Dossier: Bürgergeld


Antrag: "Regelsätze spürbar erhöhen – 200 Euro mehr gegen Inflation und Armut" von 2022.
Antrag: "Sanktionen abschaffen – Keine Kürzungen am Existenzminimum vornehmen" von 2022.
Antrag: "Kinder-Sofortzuschlag armutsfest ausgestalten" von 2022.
Antrag: "Würde und Teilhabe ernst nehmen – Sanktionsfreie Mindestsicherung statt Bürgergeld" von 2021.
Antrag: "Kinderarmut überwinden, Kindergrundsicherung einführen" von 2020. 
Antrag: "Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld Plus einführen" von 2019.
Antrag: "Arbeitslosenversicherung stärken – Arbeitslosengeld verbessern" von 2019.