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Matthias W. Birkwald im Plenarsaal des Bundestages © picture alliance/Geisler-Fotopress|Christoph HardtFoto: picture alliance/Geisler-Fotopress|Christoph Hardt

Renten rauf statt "Aktienrente"!

Nachricht von Matthias W. Birkwald,

Die gesetzliche Rentenversicherung ist in Deutschland mit Abstand das wichtigste Element der Alterssicherung und für die meisten Menschen im Alter die bedeutendste – und oft einzige – Einkommensquelle. Dafür ist das Leistungsniveau der Rente jedoch viel zu niedrig. Der aktuelle Zahlbetrag von nur 1.152 Euro über alle 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner macht dies sehr deutlich. Auch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die Rente nicht ausreicht. Ein Großteil aller Altersrenten beruhten auf 35 und mehr Versicherungsjahren, also einem langen Arbeitsleben.

Männer mit dieser Versicherungszeit erreichen eine durchschnittliche Altersrente in Höhe von 1.543 Euro brutto, bei Frauen beträgt der Durchschnitt nur 1.173 Euro brutto.1 Die Armutsschwelle für Alleinlebende liegt aber bei 1.250 Euro netto und damit bei 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens (Median). Hier schafft es die gesetzliche Rente oftmals also nicht einmal, im Alter ein armutsfestes Einkommen darzustellen. Ganz zu schweigen davon, dass sie ursprünglich einmal den Lebensstandard sichern sollte.2

Vorschläge zu mehr privater Vorsorge oder einer verpflichtenden Ausweitung der Betriebsrenten können diese Probleme akut nicht lösen, denn ihre Implementierung braucht Zeit. Für die Bestandsrenterinnen und -rentner kämen derartige Reformen zu spät, für Menschen mit geringem Einkommen ist ihre Wirkung zu bezweifeln, denn sie würde zusätzliche Beiträge ohne oder nur mit geringer Arbeitgeberbeteiligung bedeuten. Geld, das die Menschen aber einfach nicht haben.

Hinzu kommt, dass die betriebliche Altersversorgung und die private Vorsorge in den vergangenen zwanzig Jahren das sinkende Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung eben nicht ausgleichen konnten. Wieso das jetzt anders sein sollte, erschließt sich nicht.

Es ist also klar: Die gesetzliche Rentenversicherung muss wieder gestärkt werden! Dafür brauchen wir einen Dreiklang aus guter Arbeit, guten Löhnen und moderaten Beitragserhöhungen.

Konkret muss in einem ersten Schritt das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben werden. Dort lag es schon mal vor den Rentenkürzungen der SPD-geführten Agenda-Politik der 2000er Jahre. Eine solche Erhöhung auf 53 Prozent bedeutete bei der aktuellen Standardrente nach 45 Versicherungsjahren zum Durchschnittsverdienst eine Rentenerhöhung von ca. 171 Euro. Für die Anhebung von derzeit 48,15 Prozent auf lebensstandardsichernde 53 Prozent benötigt die Rentenversicherung jährliche Mehreinnahmen in Höhe von knapp 36,24 Mrd. Euro. Die sind finanzierbar durch einen um zwei Prozentpunkte höheren Beitragssatz,3 was für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine monatliche Mehrbelastung von jeweils 38,12 Euro bedeuten würde.4
 

Die Riester-Rente muss zudem abgewickelt werden, denn die Vertragsabschlüsse sind seit Jahren rückläufig und werden zunehmend ruhend gestellt, was daran liegt, dass sie sich nicht gelohnt haben. Die Abschaffung bedeutete für die Beitragszahlenden eine finanzielle Entlastung, denn selbst bei höheren Beiträgen für die Gesetzliche, „sparen“ sie dann durch die Abschaffung der Beiträge für Riester und Co. Wenn das Rentenniveau stabil und verlässlich auf 53 Prozent erhöht wird, dann haben die kommenden Generationen zudem etwas davon: Sie können sich selbst auch auf eine gestärkte Rente im Alter verlassen.

Ein zweiter Schritt wäre, alle Menschen mit Erwerbseinkommen in die Deutsche Rentenversicherung einzahlen zu lassen, also auch Freiberufliche, Beamtinnen und Beamte, Selbstständige und allen voran Bundestagsabgeordnete. Das würde neben der finanziellen Stärkung auch die Solidarität fördern und so endlich auch diejenigen einbeziehen, die über die Rentenpolitik entscheiden. Untersuchungen zur Erwerbstätigenversicherung zeigen zudem, dass mit einer solchen Ausweitung die gesetzliche Rentenversicherung auch auf mittlere Sicht stabilisiert werden würde. Je nach Ausgestaltung und Zeitpunkt der Umstellung würde der Beitragssatz bis ins Jahr 2040 gegenüber aktuellen Berechnungen sinken, das Rentenniveau würde hingegen deutlich steigen.5

Ein dritter Schritt ist die Stärkung der Solidarität innerhalb der Rentenversicherung durch die drastische Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen. Momentan werden nämlich nur bis zu einer bestimmten Grenze Beiträge an die Sozialversicherungen gezahlt. Das führt dazu, dass Erwerbseinkommen oberhalb der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze prozentual geringer mit Sozialabgaben belastet werden als Einkommen darunter. Umso höher das Erwerbseinkommen oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen liegt, desto geringer ist dessen prozentuale Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen. Zwar ist es richtig, dass bei einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze den daraus resultierenden höheren Einnahmen aufgrund des Äquivalenzprinzips zeitversetzt auch höhere Ausgaben entgegenstünden. Allerdings ließen sich die Ausgaben durch die Einführung einer verfassungskonformen „Beitragsäquivalenzgrenze“6  im höchsten verfassungsrechtlich zulässigen Maße abschwächen.7

Für Renten, die trotz der Maßnahmen unter der Armutsschwelle bleiben, bedarf es der Einführung einer vermögensgeprüften solidarischen Mindestrente von aktuell 1.200 Euro netto für Alleinstehende. Abschließend, doch nicht weniger wichtig, muss das Rentenalter wieder abgesenkt, die daraus resultierenden Rentenkürzungen wieder zurückgenommen, die Umrechnung bei den Ostrenten beibehalten und die Erwerbsminderungsrenten armutsfest gestaltet werden. Denn nur so können wir garantieren, dass niemand im Alter in Armut leben muss!

 

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1) S. DRV: Rentenversicherung in Zeitreihen 2023: S. 195 und 196

2) Dieses Versprechen wurde bei Einführung der Gesetzlichen Rente im Regierungsentwurf der CDU sogar noch ausdrücklich festgehalten.

3) Die Erhöhung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Rentenversicherung um einen Prozentpunkt führt laut aktuellen Zahlen der DRV Bund zu Mehreinnahmen der Rentenversicherung in Höhe von 17.081 Mrd. Euro, die sich wiederum in 14.587 Mrd. Euro höhere Beitragseinnahmen und einen um 2,948 Mrd. Euro höheren Bundeszuschuss aufteilen (https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Kennzahlen-zur-Finanzentwicklung/kennzahlen-zur-finanzentwicklung_node.html.)

4) Ausgehend vom Durchschnittsverdienst (2022: Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.241,75 Euro) und bei gleicher Belastung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

5) Buslei, Geyer, Haan, Peters: Ausweitung der gesetzlichen Rentenversicherung auf Selbstständige. DIW Wochenbericht 10/2016.

6) Als Beispiel: ein Neu-Rentner hat sein Berufsleben immer sehr gut verdient und so 110 Entgeltpunkte angesammelt (die Durchschnittsrente entspricht 45 Entgeltpunkten) Nun würden alle Punkte über 90 (also über dem Doppelten der Durchschnittsrente) halbiert und die daraus berechnete Renten degressiv abgeflacht werden. Durch die Beitragsäquivalenzgrenze würden 100 Entgeltpunkte zu 95 persönlichen Entgeltpunkten, 130 Entgeltpunkte zu 110 persönlichen Entgeltpunkte und 180 Entgeltpunkte zu 135 Entgeltpunkten. Im Beispielsfall würde der Rentner also eine Rente entsprechend 100 Entgeltpunkten erhalten, was mit dem heutigen Rentenwert einer Rente von 3760 Euro entspräche. Die Rente würde weiter jedes Jahr mit der Rentenerhöhung steigen.

7) Zu der Verfassungsmäßigkeit einer Beitragsäquivalenzgrenze sowie der Einbeziehung der Bundestagsabgeordneten führen Prof. Dr. Heinz-Dietrich Steinmeyer und RA Dr. rer. publ. Sebastian Lovens-Cronemeyer, LL.M. weiter aus. Demnach ist beides - unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutzregelungen – zulässig.