„Die Psychiatrie-Enquete markiert – mit Blick auf Fortschritte aus Praxis und Selbsthilfe – bis heute einen Wendepunkt im Umgang mit psychischen Krisen. Recovery-Orientierung, Wertschätzung und Peerarbeit zeigen, welchen Perspektivwechsel die Enquete angestoßen hat – hin zu Teilhabe und Würde. Allerdings werden in Polizeidatenbanken weiterhin sensible Gesundheitsdaten gespeichert: Über 16.000 Einträge enthalten den Hinweis ‚Psychische und Verhaltensstörung‘, mehr als 3.800 den Hinweis ‚Freitodgefahr‘. Ob hierfür medizinische Grundlagen vorliegen oder die Betroffenen informiert wurden, ist der Bundesregierung nicht bekannt“, erklärt Evelyn Schötz, Sprecherin für psychische Gesundheit der Fraktion Die Linke im Bundestag, anlässlich der Aufdeckung menschenunwürdiger Zustände in Anstalten durch die Psychiatrie-Enquete vor 50 Jahren. Schötz weiter:
„Wir dürfen psychisch erkrankte Menschen nicht vom Anstaltsbett ins Polizeiregister verlagern. Psychische Krisen sind menschlich. Betroffene brauchen Unterstützung und Respekt – nicht Stigma oder Misstrauen. Menschen ohne ihr Wissen dauerhaft als ‚psychisch gestört‘ zu erfassen, greift massiv in persönliche Daten ein und ist ein Rückfall in alte Denkmuster. Pläne zum erweiterten Datenaustausch und der Einsatz von Analyseplattformen wie Palantir oder VeRA machen Gesundheitsdaten zu potenziellen Sicherheitsakten und schaffen den gläsernen Patienten. Das lehnen wir als Linke ab. Wir fordern klare gesetzliche Verbote der pauschalen Erfassung psychischer Erkrankungen durch Sicherheitsbehörden sowie die Löschung diskriminierender Einträge in Polizeidatenbanken. Statt Überwachung braucht es eine Stärkung von Therapie, Prävention und gemeindenaher Versorgung. Die UN-Behindertenrechtskonvention muss vollständig umgesetzt werden. Der Weg raus aus der Verwahrpsychiatrie führt nicht über digitale Hochrisiko-Dateien. Menschen in Krisen brauchen Respekt, Selbstbestimmung und Datenschutz. 50 Jahre nach der Enquete müssen wir ihren Geist ernst nehmen: für mehr Rechte, Ressourcen und Würde.“
Hintergrund:
Die Psychiatrie-Enquete veröffentlichte ihren Abschlussbericht am 25. November 1975. Sie leitete eine grundlegende Reform hin zu gemeindenaher Versorgung und mehr Rechten für Betroffene ein. Auch heute dient sie als Maßstab, wenn es um gesellschaftliche Teilhabe, Datenschutz und die Weiterentwicklung psychiatrischer Angebote geht. Dadurch leben viele Betroffene heute integriert statt isoliert. Gleichzeitig geraten Menschen mit psychischen Erkrankungen erneut unter Druck.
Datengrundlage: Kleine Anfrage BT-Drucksache 21/1172: dserver.bundestag.de/btd/21/011/2101172.pdf
