Fast 220.000 Menschen haben die Mietwucher-App im letzten Jahr genutzt. Das Ergebnis ist schockierend: Mehr als zwei Drittel der geprüften Mieten waren illegal. Um die Abzocke zu beenden, braucht es strengere Regeln.
Seit einem Jahr gibt es die Mietwucher-App der Linksfraktion. Sie bietet in 16 Städten eine Prüfung der Mietkosten an, demnächst folgen zwölf weitere Städte. Durch wenige Klicks kann die App ermitteln, ob sich die Miete im Rahmen des Mietspiegels der Stadt bewegt oder ob sie zu hoch ist.
„Mit unserer Mietwucher-App geben wir den Menschen ein Instrument zur Überprüfung ihrer Mieten an die Hand und unterstützen sie beim weiteren bürokratischen Vorgehen“, erklärt Caren Lay, die mietenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Denn mit der App können die Mieter:innen ihren Fall direkt dem zuständigen Wohnungsamt melden.
Hunderttausendfacher Betrug
Die Nachfrage war von Anfang an riesig – und die Ergebnisse sind schockierend. Innerhalb eines Jahres wurde der Rechner von 217.394 Menschen genutzt. Rund zwei Drittel von ihnen mussten feststellen: Meine Miete ist zu hoch - mehr als 20 Prozent über dem Mietspiegel. Eine klare Ordnungswidrigkeit, für die Bußgelder fällig werden. Bei über der Hälfte der geprüften Fälle sah es noch schlimmer aus: Hier lagen die Mieten sogar über 50 Prozent oberhalb der Vergleichsmiete – was eine Straftat darstellt.
Dennoch konnte die App nur jeden zwanzigsten aufgedeckten Fall mit Zustimmung der Mieter:innen an die Wohnungsämter melden. Das liegt nicht nur an der Angst, sich mit dem Vermieter anzulegen. Sondern auch daran, dass Wuchermieten kaum effektiv bestraft werden.
Würden alle Meldungen der App tatsächlich geahndet und die Mieten in der Folge abgesenkt, hätten die rund 7500 betroffenen Mieter:innen jeden Monat fast 2 Millionen Euro Miete eingespart, im Durchschnitt pro Haushalt 247 Euro im Monat. Auf das Jahr gerechnet sind das über 22 Millionen Euro.
Sanktionen nur in Ausnahmen
Tatsächlich wurden überhöhte und illegale Mieten bislang nur in Frankfurt am Main systematisch verfolgt. Aufgrund der Berichterstattung über die App sind nun andere Kommunen gefolgt. Der Hamburger Senat hat einen eigenen Online-Mietenmelder eingerichtet. Leipzig, Tübingen und der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg haben eine Mietpreisprüfstelle in ihren Wohnungsämtern aufgebaut.
So hat eine linke Bezirksstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg kürzlich zum ersten Mal eine deutlich überhöhte Miete rechtskräftig geahndet: Sie lag rund 190 Prozent über dem Mietspiegel. Gegen die Vermieterin wurde ein Bußgeld von 26.000 Euro verhängt. Die Mieterin kann rund 22.000 Euro zurückfordern.
Das Land Berlin hat ebenfalls eine Stelle zur Überprüfung der Mieten eingerichtet. Sie dient aber nur der Prüfung und Information – die Fälle werden nicht an die Behörden gemeldet und somit nicht amtlich verfolgt. In Frankfurt/Main hat sich zudem gezeigt, dass es vor allem kleine Vermieter sind, die sich auf Bußgeldzahlungen einlassen oder Vergleichen zustimmen. Großvermieter scheinen Gerichtsverfahren nicht zu fürchten. Die jetzigen Regelungen haben keine abschreckende Wirkung.
Mietwucher effektiv stoppen – durch ein schärferes Gesetz
Das Problem: Das Gesetz gegen Wuchermieten ist zu kompliziert formuliert. Die „individuelle Ausnutzung“ ihrer Notlage müssen die Mieter:innen aufwendig nachweisen, was in der Praxis kaum möglich ist. Zudem sind die maximalen Bußgelder auf 50.000 Euro begrenzt.
Die Bundesländer versuchen schon länger, die komplizierte Regelung zu erleichtern. Schon 2019 haben sie im Bundesrat einen entsprechenden Gesetzentwurf mehrheitlich verabschiedet. Doch die Bundesregierung hat die Initiative ignoriert. Die Linke will nun das Problem anpacken: „Mieterinnen und Mieter müssen vor überhöhten und illegalen Mieten geschützt werden. Wir bringen deshalb einen Gesetzentwurf ein, der den Behörden die Verfolgung und Ahndung illegaler und überhöhter Mieten erleichtert.“, so Caren Lay.
Die Regierung muss bei der Abstimmung am 6. November Farbe bekennen: Will sie der Abzocke von Millionen Mieter:innen ein Ende setzen? Oder wird sie im Interesse der Immobilienlobby weiterhin wegschauen, wenn massenhaft Recht gebrochen wird?
Für Caren Lay ist klar: Wuchermieten zu stoppen ist dringend notwendig - aber nur der erste Schritt im Kampf gegen den Mietennotstand. „Darüber hinaus braucht es einen bundesweiten Mietendeckel und ein Investitionsprogramm zur Schaffung bezahlbarer gemeinnütziger und kommunaler Wohnungen.“
