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Das Innenministerium wirkt beim Personaleinsatz an der Grenze vollkommen konzeptlos

Nachricht von Clara Bünger,

Personal

Nach Angaben der Bundesregierung sind von den derzeit etwa 32.000 Vollzugsbeamten der Bundespolizei 9.800 ständig mit der Aufgabe Grenzschutz betraut. Um den Aufgabenzuwachs durch die „vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen (VWBGK)“ bewältigen zu können, wurden 3.000 bis 4.000 zusätzliche Einsatzkräfte an die Grenzen verlegt. Dazu gehören Mobile Kontroll- und Überwachungseinheiten (MKÜ), Alarmzüge, Bereitschaftspolizei. Das BMI kann aus Mangel an statistischen Daten nicht sagen, wie sich die eingesetzten Beamten nach Statusgruppen aufteilen, also bspw. Anwärter sind. Auch zum Umfang der zusätzlichen Belastung durch 12-Stunden-Schichten, dem Umfang der verlegten Bereitschaftshundertschaften oder MKÜ kann die Bundesregierung keine Aussage treffen. Die Beamtinnen und Beamten haben nicht mitgeteilt bekommen, wie lange die VWBGK durchgeführt werden. Zum 31. Mai 2025 sind in der Bundespolizei 2,775 Mio. Überstunden aufgelaufen (ggü. 2,458 Mio. Ende 2024 und 2,112 Mio. Ende 2023). Es handelt sich nur um Salden der gesamten Überstunden, die Bundesregierung kann keine Aussagen treffen, wie viele davon tatsächlich durch Freizeit ausgeglichen wurden. Vergleichsweise wenig Mehrarbeitsstunden werden durch Zahlungen ausgeglichen, allerdings stieg die Zahl der so ausgeglichenen Mehrarbeitsstunden von Mai zu Juni von 1.414 auf 3.508.

Clara Bünger erklärt dazu: „Das BMI wirkt beim Personaleinsatz an der Grenze vollkommen konzeptlos. Es weiß nicht einmal, wie viele Beschäftigte 12-Stunden-Schichten leisten müssen. Die Hau-drauf und Grenzen-dicht-Politik von Dobrindt und Bundespolizeipräsident Romann geht klar zulasten der Beamtinnen und Beamten.“

Haushaltsauswirkungen

Im Rahmen der „vorläufigen Haushaltsführung“ dürfen die Ministerien bis zu 70% der im ursprünglichen Haushaltsansatz 2025 vorgesehenen Mittel aufwenden, höchstens bis zur Höhe des Ansatzes. Relevant sind hier Mittel für Trennungsgeld, Fahrkostenzuschüsse sowie Umzugsvergütungen (453 01), Dienstreisen (527 01) und Hotelkosten im Titel Mieten und Pachten (518 02).

In den letzten Jahren wurden die Ansätze im Titel 453 01 regelmäßig überschritten (2022 + 14,9 Mi., 2023 + 18,8 Mio., 2024 + 9,9 Mio.) Gegenfinanziert wurden die „Verstärkungen“ über Minderausgaben bei den Entgelten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Trotz dieser regelmäßigen Überschreitungen und obwohl zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung im Jahr 2024 bereits erweiterte Grenzkontrollen vorbereitet wurden bzw. angewiesen waren, enthielt der Entwurf eine Kürzung dieses Titels um 9 Mio. Euro. Zur möglichen Überschreitung kann die Bundesregierung keine Aussage treffen.

Auch im Titel 527 01 (Dienstreisen) gab es deutliche Überschreitungen; statt 24,1 Mio. Euro wurden 2024 63,3 Mio. Euro verausgabt (+39.4 Mio.). Gegenfinanziert wurden die Überschreitungen u.a. durch eine überplanmäßige Ausgabe i.H.v. 24 Mio. Euro (im Einvernehmen von BMI und BMF), sowie durch Minderausgaben bei Ausstattung (10 Mio.) und Waffen und Gerät (4 Mio. Euro). Im Rahmen des Haushaltsentwurfs vom vergangenen Jahr stehen für 2025 insgesamt 46,2 Mio. zur Verfügung, im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zunächst 32,6 Mio., erwartet werden bereits jetzt 3,5 Mio. Euro Mehrausgaben.

Kostenstellen aus diesem Titel sind u.a. Hotelübernachtungen. Nach Einführung erweiterter Grenzkontrollen im September 2024 mussten an der Ostgrenze 170 Hotelbetten gemietet werden, durch Verlegung von der Südgrenze war diese Maßnahme aber kostenneutral. Ab dem 9. Mai wurden 600 Hotelbetten neu gebucht. Dennoch kann das BMI auch hier keine Prognose anstellen, wie weit der Titel bis zum Ende der vorläufigen Haushaltsführung überschritten werden wird. 

Aus- und Fortbildung

Auszubildende im mittleren und gehobenen Dienst werden im Rahmen ihrer Praktika in der VWBGK eingesetzt. Der Fortbildungsbetrieb wird „temporär“ angepasst, indem „dienststelleninterne Fortbildung“ „priorisiert“ wird. Faktisch dürfte dies bedeuten, dass Fortbildungen in den AFZ deutlich eingeschränkt werden und die Beamten stattdessen in ihren Dienststellen mittels Online-Schulungen „fortgebildet“ werden, und zwar ausschließlich zu Grenzschutzfragen.

Clara Bürnger erklärt dazu: „Die Fortbildungen bei der Bundespolizei sind faktisch zum Erliegen gekommen. Selbst für die Durchführung von Grenzkontrollen und Zurückweisungen gibt es nur online-Schulungen.“

Zivilrechtliche Konsequenzen durch rechtswidrige Zurückweisungen

Der Bundesregierung liegen aktuell keine Kenntnisse zu zivilrechtlichen Klagen gegen Bundesbeamte vor. Die Bundesregierung hat die Beamten hierzu auch nicht weiter informiert, und beantwortet die Frage hierzu auch ausweichend mit Verweis auf allgemeine Schulungsangebote zum Einsatz in den VWBGK. Besondere Angebote für die psychosozialen Belastungen, die für gewissenhafte Beamte durch die Zurückweisung schutzsuchender Menschen einhergehen, hat die Bundespolizei nicht geschaffen. Das BMI verweist nur auf die ohnehin vorhandenen Angebote.

Clara Bünger erklärt dazu: „Die Bundesregierung vermeidet eine klare Aussage dazu, ob die Beamtinnen und Beamten für ihr rechtswidriges Handeln bei der Zurückweisung Asylsuchender individuell belangt werden können. Die Verunsicherung unter den Beamtinnen und Beamten wird damit bleiben.“

Clara Bünger weiter: „Als Linke haben wir eine klare Position: Es dürfen nicht immer mehr Mittel in die Bundespolizei fließen, wie es seit Jahren geschieht. Stattdessen wäre es an der Zeit, kritisch zu überprüfen, was diese Institution damit anstellt – und ihr, wo notwendig, Aufgaben und Ressourcen zu entziehen. Das betrifft besonders die Befugnis, Personen ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren, was fast zwangsläufig zu grundrechtswidrigem Racial Profiling führt. Auch die stationären Grenzkontrollen müssen umgehend beendet werden.

Der neue Bundesinnenminister macht das Gegenteil: Er verschärft die Kontroll- und Zurückweisungspraxis noch, halst den Beamtinnen und Beamten unendliche Mehrarbeit auf und zwingt sie dazu, rechtswidrig zu handeln. Diese Grenzen-dicht-Politik ist vollkommen verantwortungslos. Sie belastet in erster Linie die Menschen, die von den Zurückweisungen betroffen sind, aber geht ebenso auf Kosten der Beamtinnen und Beamten.“