Linken-Politiker Ramelow wirft Sommer Kumpanei vor
Zum 1. Mai bekommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zur Abwechslung selbst Kritik zu hören: Die DGB-Spitze sei zu eng mit der SPD verflochten, moniert der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Bodo Ramelow. Der gelernte Kaufmann, nach der Wende Chef der Handelsgewerkschaft HBV in Thüringen, will 2009 Ministerpräsident in Erfurt werden.Herr Ramelow, wie ist das Verhältnis zwischen der Linken und der Gewerkschaftsbewegung?
Entspannt. Wir sind zunehmend besser in der Lage, eine Zusammenarbeit an politischen Projekten zu organisieren. Die Entstehungsgeschichte der Linken wäre ohne Akteure aus der Gewerkschaftsbewegung und dem Gewerkschaftsapparat nicht denkbar. Bei Themen wie Mindestlohn, Rentenformel, gute Arbeit haben wir verlässlich Übereinstimmungen.
DGB-Chef Sommer trifft sich aber am 1. Mai mit Kurt Beck. Stehen Sie in direkter Konkurrenz zur SPD um die Gunst der Gewerkschaften?
Aus meiner Sicht nicht. Vielleicht nutzt Michael Sommer ja die Gunst der Stunde und redet mal Klartext mit Beck. Eine Anbiederung würde an der Basis nur Kopfschütteln auslösen. Das hat in den 70er-Jahren funktioniert, die feste Verzahnung zwischen SPD und DGB-Gewerkschaften. Spätestens seit der Agenda 2010 empört das die Mehrheit der Gewerkschaftsbasis eher. Der DGB täte besser daran, die Vorsitzenden der anderen Parteien auch einzuladen.
Sie halten das Verhältnis DGB-SPD an der Spitze für zu eng?
Michael Sommer selbst sagt, es gebe keine Gewerkschaftspartei. Dann muss er auch so handeln. Es hilft jedenfalls nichts, den Erfolg der Linken zu negieren. Es gibt in der Führung des Gewerkschaftsbundes immer die Vorzeige-CDUler; das alte duale Modell der Interessenvertretung ist aber überholt.
Also ist der DGB aus Ihrer Sicht reformbedürftig in seinen Strukturen?
Die enge Umklammerung zwischen DGB und einer bestimmten Partei, der SPD, muss zugunsten von mehr Offenheit beendet werden. Wir wollen als Linke auch nicht an die Stelle der SPD treten. Der DGB und die Einzelgewerkschaften müssen sich komplett aus jeglicher parteipolitischen Kumpanei lösen. Die DGB-Spitze versucht aber krampfhaft, das westdeutsche Modell aufrechtzuerhalten, und begreift nicht, dass man gesamtdeutsch völlig anders denken, handeln und arbeiten muss.
Woran liegt das?
Das ist Traditionalismus. Aber die Widersprüche werden immer größer. Der DGB hat sich in vielen Fragen schon sehr verrenken müssen. Seine Leitung macht große Kampagnen gegen die Rente mit 67, zeigt sich aber gerne im Gewerkschaftsrat der SPD - die die Anhebung des Rentenalters beschlossen hat und bis jetzt keine Abstriche an der Rentenkürzung zulassen will!
Die Linke hatte gerade eine große Ost-Konferenz. Warum hat sie es nötig, ihr Ost-Image zu stärken?
Das ist keine Imagefrage, sondern eine Frage politischer Verantwortung. Deutschland braucht eine Partei, die sich nachhaltig um den Osten kümmert. Denn die Aufgaben hier sind gesamtdeutsche Aufgaben. Der Versuch, den Osten dem Westen gleichzumachen, ist schiefgegangen.
Sie treten als Spitzenkandidat in Thüringen an. Was ist Ihr Ziel?
Ein Politikwechsel für soziale Gerechtigkeit in einer Regierung, die endlich einen Perspektivplan für Thüringen entwickelt und die Chancen auch nutzt. Natürlich will die Linke dazu stärkste Partei werden und ich Ministerpräsident.
Glauben Sie, dass die SPD in Thüringen bei ihrem Nein zu einer Juniorrolle unter der Linken bleibt?
Die SPD muss sich entscheiden: Wenn sie im Zweifel lieber einen Dieter Althaus (Ministerpräsident der CDU, die Red.) mitwählt, begibt sie sich auf den Weg Richtung zehn Prozent wie in Sachsen. Althaus hat jetzt seinen größten Fehlgriff bei der Kabinettsumbildung getan. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus, einen braun gefärbten Kultusminister vereidigen lassen zu wollen, ist ein Skandal. Da sage ich: Gute Nacht, Deutschland. Wenn Peter Krause, ein ehemaliger Redakteur der rechtslastigen Zeitschrift Junge Freiheit, als Minister für die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Dora zuständig wird, ist die CDU nicht mehr koalitionsfähig. Darüber kann und darf auch die SPD nicht hinwegsehen.
Das Gespräch führte Gerold Büchner.
Berliner Zeitung, 30. April 2008