Von Cornelia Möhring, 1. stellvetretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Die letzte Wahlperiode war wieder eine verlorene Wahlperiode für Millionen derzeitige und zukünftige Pflegebedürftige. Denn die Soziale Pflegeversicherung billigt Pflegebedürftigen nur einen Zuschuss zu den Pflegekosten zu als Ergänzung der familiären, nachbarschaftlichen oder ehrenamtlichen Pflege. Pflegende Angehörige springen in die Bresche, weil eine professionelle Pflege oftmals nicht finanzierbar ist.
Der "Pflegedienst der Nation" ist von den anderen Parteien gewollt, um zu sparen. Häusliche Pflege bedeutet nicht, dass pflegebedürftige Menschen automatisch von ihren Angehörigen gepflegt werden wollen. Um den individuellen Pflege- und Betreuungsbedarf abzudecken, müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen auf ihr Einkommen und Vermögen zurückgreifen. Vielen ist das nicht möglich. Die soziale Ungleichheit tritt in der Pflege deutlich zu Tage. Immer mehr pflegebedürftige Menschen werden von der Sozialhilfe oder von der Unterstützung durch ihre Angehörigen abhängig. Der graue Pflegemarkt blüht. Er wird weder einer qualitativ hochwertigen Pflege gerecht, noch kann er gute und faire Arbeitsbedingungen bieten oder den Fachkräftemangel auflösen.
Pflege ist Teil der sozialen Sicherung
Von Schwarz-Gelb ist nichts zu erwarten. Aber auch die SPD setzt voll auf das soziale Umfeld der Pflegebedürftigen: Angehörige, Freunde, Bekannte, Nachbarn und Quartier. Auch den grauen Pflegemarkt will die SPD ausbauen, wenn sie sagt, sie möchte haushaltsnahe Dienstleistungen stärken. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Grauzone: Pflege durch vorwiegend osteuropäische Migrantinnen, die als Haushaltshilfen beschäftigt werden, aber eine Rund-um-die-Uhr-Pflege und Betreuung übernehmen. Die SPD geht im Wahlkampf mit dem Thema Mindestpersonalbemessung hausieren. Am 28. Juni hat sie gegen unseren Antrag gestimmt.
DIE LINKE will mehr: 18 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung wird es Zeit für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Gute Pflege darf nicht länger vom Geldbeutel abhängen. Die Leistungen der Pflegeabsicherung sind als Vollversicherung auszugestalten. Allen Menschen muss tatsächlich ermöglicht wird, selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflege- oder Assistenzleistungen in Anspruch nehmen wollen – ohne finanziellen Zwang. Wir sehen Pflege als Teil der sozialen Sicherung, nicht als Privatvergnügen. Perspektivisch müssen sich Pflege und Assistenz am individuellen Bedarf des betroffenen Menschen orientieren. Ohne verbesserte Leistungen verpufft die von der SPD angeregte Joboffensive ergebnislos. Zumal sich ohne eine deutliche Erhöhung der Entlohnung und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kaum 125.000 Fachkräfte finden werden.
Eine Reform ist solidarisch gerecht finanzierbar
Die solidarische Gesundheitsversicherung in der Pflege würde für soziale Gerechtigkeit und eine stabil finanzierte Pflegeabsicherung sorgen. Finanziell starke Schultern müssen mehr tragen. Alle anderen – die weitaus meisten – werden entlastet. Mit einer wissenschaftlichen Studie konnte nachgewiesen werden, dass finanzielle Sicherheit und die Grundlage für eine weiterreichende Pflegereform nachweislich solidarisch gerecht zu erreichen sind. Mit der solidarischen Gesundheitsversicherung in der Pflege kann der Beitragssatz bei eingerechnetem Ausgleich des Realwertverlusts und einer sofortigen Erhöhung der Sachleistungen um 25 Prozent dauerhaft unter zwei Prozent gehalten werden. Das schafft finanzielle Sicherheit und Spielraum für eine grundlegende Pflegereform. Eine tarifgerechte Vergütung der Pflegefachkräfte und die Refinanzierung von Tariferhöhungen wären in einer Pflege-Bürgerversicherung möglich. Die SPD hat sich von einer echten Bürgerinnen- und Bürgerversicherung längst verabschiedet: Sie will nicht mehr alle Einkommen einbeziehen, fordert stattdessen Beitragserhöhungen und einen höheren Steuerzuschuss.
Bislang steht DIE LINKE steht mit der Forderung nach einer Pflegevollkostenversicherung im Parlament allein, wie auch einst bei der Abschaffung der Praxisgebühr und beim Thema Mindestlohn. Wir erfahren viel Zuspruch aus Verbänden und Organisationen und von den Betroffenen vor Ort. Wir werden dieses Thema auch in der nächsten Legislaturperiode weiter vorantreiben und andere Parteien mit machbaren Vorschlägen unter Druck setzen.
linksfraktion.de, 13. September 2013