Berlin (ddp). Der von der Opposition geplante Geheimdienst-Untersuchungsausschuss hat eine entscheidende Hürde genommen. In Berlin einigten sich die drei Oppositionsfraktionen am Freitag auf einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag, wie FDP, Linkspartei und Grüne auf ddp-Anfrage bestätigten. Vorbehaltlich einer Zustimmung in den drei Oppositionsfraktionen könnte das Gremium bereits Ende März eingesetzt werden. mehr Die Abgeordnete der Links-Fraktion, Petra Pau, sprach von einem guten Ergebnis. Es werde «keinen reinen BND-Untersuchungsausschuss» geben, stellte sie klar. Denn der Einsatz zweier BND-Agenten in Bagdad sei «nur ein Teil des Auftrages». Aufgeklärt werden solle insgesamt «die Sudspendierung der Menschen- und Bürgerrechte» im Zusammenhang mit Anti-Terror-Maßnahmen. Untersucht werden soll auch die Entführung eines deutschen Staatsbürgers, die CIA-Gefangenenflüge über Deutschland, die Vernehmungen von Gefangenen im Ausland durch deutsche Beamte sowie die Nutzung von unter Folter erlangten Geständnissen.
Der Untersuchungsauftrag (vorläufige Endfassung)Die Bundesregierung hat am 20. Februar 2006 dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages einen abschließenden Bericht „zu Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ vorgelegt.
Zur weiteren Klärung der danach noch offenen Fragen, Bewertungen und gebotenen Konsequenzen wird ein Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 GG eingesetzt.
Dem Untersuchungsausschuss sollen 7 Mitglieder angehören (CDU/CSU: 2 Mitglieder, SPD: 2 Mitglieder, FDP: 1 Mitglied, DIE LINKE: 1 Mitglied, Bündnis 90/Die Grünen: 1 Mitglied)
Der Untersuchungsausschuss soll im Zusammenhang mit den Vorgängen aus dem Bericht klären, welche politischen Vorgaben für das Handeln von BND, BfV, MAD, GBA und BKA gemacht wurden, und wie die politische Leitung und Aufsicht ausgestaltet und gewährleitstet wurde. Dies und die politische Verantwortung dafür soll bezüglich der im Folgenden konkret benannten Vorgänge und Fragen geklärt werden:
I. Im Bereich der CIA-Flüge und Gefängnisse soll geklärt werden,
1. ob in von amerikanischen Stellen (insbesondere der CIA) veranlassten Flügen Terrorverdächtige im Rahmen ihrer Verschleppung über deutsches Staatsgebiet transportiert wurden oder derartiges zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.
2. ob und gegebenenfalls seit wann die Bundesregierung welche Erkenntnisse über derartige Gefangenentransporte hatte.
3. ob die von der Bundesregierung vorgenommenen rechtlichen Bewertungen in dem Bericht der Bundesregierung vom 23.2.2006 zutreffen.
4. welche Maßnahmen die Bundesregierung getroffen hat, um etwaige Vorgänge - bspw. durch den Einsatz des hierzu gesetzlich verpflichteten BfV - zu überwachen, aufzuklären, und ggf. abzustellen und warum derartiges ggf. unterblieben ist und wer hierfür die Verantwortung trägt.
5. mit welchen Mitteln (z.B. Kontrollen, Gesetzesänderungen) verhindert werden kann, dass es künftig zu derartigen Flügen kommt.
6. ob und welche Erkenntnisse die Bundesregierung über CIA-Gefängnisse in Europa hat und wie diese ggf. verifiziert worden sind.
7. welche Tätigkeit der Bundesregierung es ggf. gegeben hat, um auf eine Beendigung des Betriebes derartiger Gefängnisse hinzuwirken.
II. Der Ausschuss soll weiterhin klären,
1. ob Stellen des Bundes Informationen an ausländische Stellen geliefert haben, die zur Entführung von El Masri beigetragen haben oder ob nach Kenntnis der Bundesregierung Stellen der Länder selbiges getan haben,
2. welche Informationen der deutsche diplomatische Dienst in Mazedonien über die Verschleppung El Masris hatte,
3. ob und welche Informationen zum Fall der Verschleppung des deutschen Staatsangehörigen El Masri durch die US-Stellen der ehemalige BMI Schily - nach der Unterredung zu Pfingsten - in einem weiteren Gespräch mit US-Botschafter Coats und anderen US-Stellen, etwa mit US-Minister Ashcroft und dem damaligen CIA-Chef, erhalten hatte und warum diese nicht für die Ermittlungen in Deutschland verwertet und nicht weitergegeben wurden,
4. ob deutsche Staatsangehörige und deutsche Stelle an der Vernehmung von El Masri beteiligt waren und wer die von El Masri als Deutscher identifizierte Person „Sam“ ist, die kurz vor der Freilassung bei den Vernehmungen in Kabul anwesend war und El Masri auf dem Rückflug nach Mazedonien begleitet hat.
5. wie sich die Bundesregierung in „gebotener Weise“ auf diplomatischer, nachrichtendienstlicher und bundespolizeilicher Ebene bemüht hat, die Vorgänge aufzuklären.
III. Der Ausschuss soll ferner folgende Fragen klären:
1. ob und ggf. zu welchem Zweck und auf welcher rechtlichen Grundlage die Sicherheitsbehörden Reisedaten im Fall Zamar an US-amerikanische, niederländische und marokkanische Stellen, im Fall D. und S. an die libanesischen Stellen und im Fall Kurnaz an US-amerikanische oder pakistanische Stellen weitergegeben haben,
2. welche Konsequenzen aus den Vernehmungen/Befragungen, die nach vorangegangener Folter oder unter folterähnlichen Umständen durchgeführt worden sein sollen, gezogen worden und noch zu ziehen sind,
3. wie sicherzustellen ist, dass die Sachleitungsbefugnis des Generalbundesanwaltes nicht unterlaufen wird,
4. welche Vorkehrungen zu treffen sind, durch die verhindert werden kann, dass in Zukunft Angehörige des BND, BKA oder andere Stellen solche Befragungen durchführen.
IV. Der Ausschuss soll schließlich klären,
1. wer den Auftrag zum Einsatz von zwei BND-Mitarbeitern in Bagdad erteilt und welche Regierungsstellen in die Entscheidungsfindung über die Einsätze eingebunden waren,
2. ob und inwieweit über die in dem Bericht der Bundesregierung aufgeführten hinaus weitere Informationen - insbesondere ein neuer militärische Plan über die Verteidigung Bagdads - vom BND vor Beginn und während des Irakkrieges aus dem Irak an die Zentrale gegeben wurden und an US-Dienststellen gelangt sind, die für die US-Kriegsführung von Bedeutung sein konnten oder sogar tatsächlich dafür eingesetzt wurden,
3. ob und inwieweit die in der Bundestagsdrucksache 16/800, S. 20, genannten Objekte, die von BND-Mitarbeitern in Bagdad gemeldet und an US-Stellen weitergegeben wurden, zutreffend wiedergegeben und bewertet sind,
4. Anfragen welchen Inhalts von US-Stellen an den BND ab Beginn des Jahres 2003 gestellt wurden, wie auf die Anfragen seitens des BND reagiert wurde, ob die Anfragen an die BND-Mitarbeiter nach Bagdad weitergegeben worden sind und ob und wie darauf geantwortet wurde,
5. was mit US-Stellen über die Aufgaben der BND-Mitarbeiter in Bagdad besprochen und vereinbart worden ist und warum das Vereinbarte nicht schriftlich festgehalten wurde,
6. warum die Aufträge und Weisungen der Bundesregierung, insbesondere die Beschränkungen, für das, was die BND-Mitarbeiter aus Bagdad berichten sollten und was an die US-Stellen weitergegeben werden durfte und was nicht, nicht schriftlich niedergelegt worden sind und welche Vorkehrungen für eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der Beschränkungen der Weitergabe getroffen worden sind,
7. ob und gegebenenfalls welche Informationen von BND-Mitarbeiter aus dem Irak, die über die Beschränkungen der Weitergabe von Informationen an US-Stellen nicht informiert waren, telephonisch oder schriftlich an US-Stellen gelangt sind,
8. ob und gegebenenfalls welche Verbindungsorganisationen aus dem Geschäftsbereich des BMVG (z.B. militärisches Nachrichtenwesen) zu ausländischen Stellen bestanden, über die Informationen von den BND-Mitarbeitern aus Bagdad während des Irakkrieges weitergegeben wurden und wie eine etwaige solche Informationsweitergaben organisiert und kontrolliert war,
9. ob Mitglieder oder Amtsträger der Bundesregierung oder ihre Vorgänger sowie nachgeordnete Amtsträger die Informationsweitergabe an US-Stellen und deren konkreten Einzelheiten gekannt, gebilligt, angeordnet oder unterstützt haben und ob Mitglieder der Bundesregierung nach den Presseberichten ab Anfang Januar 2006 den Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit darüber zutreffend informiert haben,
10. ob nach der weiteren Aufklärung die Bewertung der Aktivitäten des BND während des Irakkrieges im Bericht der Bundesregierung zutreffend ist oder ganz bzw. in einzelnen Punkten korrigiert werden muss,
11. warum die Bundesregierung auf die gebotene Unterrichtung des PKG verzichtete.
V. Schließlich soll der Ausschuss klären,
1. ob und inwieweit durch Handlungen aus I. bis IV. gegen Richtlinien oder Weisungen der Bundesregierung, gegen Amts- oder Dienstpflichten oder gegen deutsches Recht oder internationales Recht verstoßen wurde,
2. welche rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen gezogen werden müssen, um die Rechtsstaatlichkeit der Terrorismusbekämpfung zu wahren und die Kontrolle der Nachrichtendienste zu verbessern, um Fehlentwicklungen verhindern zu können.