Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales zu Minijobs
Deutliche Kritik wurde heute an den Vorschlägen der Koalitionsfraktionen zur Anhebung der Verdienstgrenze für Minijobs geübt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der eine Erhöhung der Minijobs auf 450 Euro vorsieht, war zusammen mit einem Antrag der LINKEN Thema in einer Anhörung des Ausschusses Arbeit und Soziales. Die Koalition will nicht die Stundenverdienste der Minijobberinnen und Minijobber erhöhen, sondern lediglich die Verdienstgrenze hochsetzen. Aus dem Problem Niedriglohn gerade bei Minijobs wird ein noch größeres gemacht.
Mittlerweile gibt es 7,3 Millionen Minijobs, das ist bereits jedes fünfte Beschäftigungsverhältnis. Mehr als 80 Prozent der Minijobberinnen und Minijobber werden mit einem Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle abgespeist. Zwei von drei Minijobs werden von Frauen ausgeübt. Altersarmut ist vorprogrammiert. Die Fraktion DIE LINKE schlägt deshalb vor, Minijobs mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gleichzustellen, indem ab dem ersten Euro Erwerbseinkommen die reguläre Steuer- und Sozialversicherungspflicht gilt.
Schluss mit der Aufstockung niedriger Löhne auf Mindestniveau
In der Anhörung wurde die Initiative der Bundesregierung von vielen Sachverständigen abgelehnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert, dass die Anhebung der Einkommensgrenze zu einer erneuten Ausweitung der Minijobs führen wird, wie dies schon nach den Änderungen im Jahr 2003 zu beobachten war. Zudem gibt der DGB zu bedenken: "Fast jeder dritte Euro aus dem Hartz IV-System wird dafür ausgegeben, niedrige Löhne auf ein Mindestniveau aufzustocken." Damit muss Schluss sein. Der DGB fordert die Beendigung des Parallelarbeitsmarktes, der durch Minijobs entstanden ist.
Auch die Einführung einer Rentenversicherungspflicht für Minijobs ändert nichts daran, dass Minijobs nach wie vor Minieinkommen bedeuten und damit auch Minirenten. Die Deutsche Rentenversicherung betonte, dass zwar für diejenigen, die der Rentenversicherungspflicht nachkommen auch ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente entsteht. An der Beitragsleistung ändere sich aber kaum was. So werde zum Beispiel derzeit für einen Minijob von 400,- Euro im Jahr ein Rentenbeitrag von 3,18 Euro erworben. Mit der neuen Regelung seien dies aber auch nur 4,15 Euro. Außerdem geht die Regierung in ihrem Gesetzesentwurf selbst davon aus, dass rund 90 Prozent der Minijobbenden das Opting Out wählen werden – also auf eine Beitragszahlung in die Rentenversicherung verzichten.
Riskante Sackgasse für Betroffene
Claudia Weinkopf vom Institut für Arbeit und Qualifizierung verweist auf den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Dieser bewertet die Minijobregelung insgesamt als nicht mehr zeitgemäß, da sie sich arbeitsmarktpolitisch als Irrweg und für die Betroffenen als riskante Sackgasse mit ausgeprägtem Niedriglohnrisiko erwiesen hat. Gleichstellungspolitisch sind Minijobs als desaströs zu bezeichnen. Frau Weinkopf betont, dass der Wunsch nach längeren Arbeitszeiten bei den Minijobbenden weit verbreitet ist.
Auch Professor Gerhard Bäcker unterstreicht: "Die Ausgestaltung der Minijobs trägt dazu bei, dass dieses geschlechtshierarchische Erwerbsmodell gefördert und festgeschrieben wird." Wer ausschließlich einem Minijobs nachgeht, könne keine eigenständige Altersvorsorge aufbauen. Hierzu wären eine längere Arbeitszeit und ein höheres Einkommen notwendig. Professor Bäcker weist auch darauf hin, dass Minijobs keine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt darstellen, sondern in Kombination mit dem Ehegattensplitting einen Fehlanreiz insbesondere für Frauen begründen. Der Minijob setze falsche Anreize. So würde häufig das Arbeitsrecht umgangen und aus dem Prinzip Brutto gleich Netto resultiere häufig die Absenkung der Stundenentgelte.
Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut teilt die Kritik der LINKEN an den Minijobs: "Grundsätzlich können die Vorschläge einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Eine Versicherungspflicht ab dem ersten Euro ist sinnvoll, um die heutige Grenze aufzuheben und keine Sonderbehandlung irgendeiner Form von Beschäftigung zuzulassen."
linksfraktion.de, 23. Oktober 2012