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Unwillig, zur Aufklärung beizutragen

Archiv Linksfraktion - Nachricht,

Wolfgang Schäuble vor dem NSU-Ausschuss

Von Gerd Wiegel

Unwillig, abweisend, aggressiv – das war der Eindruck den der frühere Innen- und heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble als letzter Zeuge des NSU-Untersuchungsausschusses am 14. Dezember hinterließ. Schäuble war von 2005 bis 2009, also während eines Teils der Mordserie des NSU, Innenminister und damit verantwortlich für die Sicherheitsorgane des Bundes.

Direkt befasst mit der Mordserie war er nur im Jahr 2006, als es nach den Morden acht und neun in Dortmund und Kassel noch einmal um die Frage ging, ob die Ermittlungen nicht von einer zentralen Ermittlungsbehörde und damit vom BKA übernommen werden sollten. Das BKA wollte übernehmen, Bayern und die anderen Länder, in denen die Ermittlungen geführt wurden, wollten nicht abgeben. Anlässlich der Innenministerkonferenz im Frühjahr 2006 einigte man sich auf ein Verfahren mit dem die zentralen Mängel der Ermittlungen – eben ihre Zersplitterung – nicht abgestellt wurden. Bis zur Ministereben ist dieser Streit nie gelangt und wer Schäuble heute vorhält, er hätte die Ermittlungen qua Ministerentscheid und auch gegen die Länder dem BKA zuschustern sollen verkennt, dass das BKA eine der Bastionen für die Beibehaltung der falschen Ermittlungsrichtung „Organisierte Kriminalität“ war.

Interessanter und stärker die Verantwortung Schäubles tangierend war da schon die Zusammenlegung der Abteilungen Rechts-und Linksextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Jahr 2006 – gegen den ausdrücklichen Rat des BfV-Präsidenten Fromm, der darin einen Schwächung des Bereiches Rechtsextremismus sah. Schäuble verteidigte seine damalige Entscheidung, die auch der maßgeblich von ihm betriebenen Islamismushysterie geschuldet war. Um die Abteilungen zum Thema Islamismus auszubauen habe man an anderer Stelle kürzen müssen, so Schäuble. Keinerlei Bereitschaft gab es beim Zeugen, über die Frage, ob und warum man die tödliche Gefahr von rechts so sehr unterschätze hatte nachzudenken. Rechtsterrorismus war auch unter Schäuble nie ein ernstes Thema. Gebetsmühlenartig und wie ein Dogma verkündeten die vom Innenminister Schäuble politisch verantworteten Behörden, Nazis würden Waffen nur aus Sammlerzwecken horten, seien zu unorganisiert für gezielten Terror und würden höchstens als Einzeltäter Gewalt ausüben. Eine falte Fehleinschätzung wie wir heute wissen, wie man vielleicht aber auch schon früher hätte wissen können.

Politische Diskussionen, so Schäuble, wolle er nicht führen, Aussagen nur zu Dingen aus seiner direkten Erinnerung an die Ceska-Mordserie machen – die jedoch gegen null gingen. So war der Minister nicht bereit, über mögliche Veränderungen als Folgen aus dem NSU-Desaster zu sprechen. Die Ankündigung der Kanzlerin, ihre Regierung würde alles tun, um die NSU-Taten aufzuklären und Folgerungen daraus zu ziehen, wurden von Schäuble ganz offensichtlich nicht verstanden. Bis zum Ende seiner Zeit als Innenminister 2009 waren schon mehr als 13.000 Menschen Opfer rechter und rassistischer Gewalttaten geworden, mehr als 130 Menschen wurden durch Nazis getötet. Für Schäuble war all das jedoch kein Anlass, in besonderer Weise auf die Gefahren von rechts hinzuweisen. Während er als Innenminister angesichts der islamistischen Bedrohung vor möglichen Atomangriffen durch Islamisten warnte und vom „Feindstrafrecht“ und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren schwadronierte, fanden die ganz realen Taten von rechts in seiner Amtszeit keine besondere Beachtung. Vorzuwerfen habe er sich jedoch nichts, so das Fazit des Ministers.

Einen einzigen bemerkenswerten Satz gab Schäuble in vier Stunden Vernehmung von sich: Auf die Frage ob er glaube, die Ermittlungen zur Mordserie seien anders verlaufen, wenn es sich bei den Opfern z.B. um Bankmanager gehandelt hätte sagte er: „ Ich möchte es nicht glauben“, womit er ein einziges Mal Raum für eigene Zweifel ließ.

Der Untersuchungsausschuss wird sich ab Januar 2013 mit dem Abtauchen des NSU-Trios 1998-2002 und zunächst mit  Situation in Thüringen befassen. Die erste (öffentliche) Sitzung 2013 findet am 17. Januar statt.