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Wohnkostenlücke: Bürgergeldbetroffene zahlen 500 Mio. Euro aus eigener Tasche!

Nachricht von Cansin Köktürk, Sahra Mirow,

Eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke im Bundestag zeigt: Die Wohnkostenlücke beim Bürgergeld, also der Fehlbetrag zwischen der Kostenübernahme und den tatsächlichen Wohnkosten, ist auf ein Rekordhoch von durchschnittlich 116 € pro Monat gestiegen. Die Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich in 2024 auf rund 494 Millionen Euro.

Die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) in tatsächlicher Höhe bis zu einer „angemessenen“ Obergrenze soll das Existenzminimum beim Wohnen sichern. Die Verfahren zur Bestimmung der Angemessen-heitsgrenzen sind seit vielen Jahren Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen. Dies bringt Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten und die Gefahr der Unterschreitung des Existenzminimums mit sich. Im Ergebnis bestehen zwischen der Miete, die Personen im Leistungsbezug nach dem SGB II tatsächlich zahlen müssen, und den als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung regional teilweise erhebliche Differenzen. Regelmäßig muss diese „Wohnkostenlücke“ aus dem Regelbedarf bestritten werden – oft nicht als Ausdruck individueller Prioritätensetzung, sondern schlicht, weil es keinen günstigeren Wohnraum gibt.

Die „Wohnkostenlücke“ ist in 2024 deutlich zum Vorjahr angestiegen: Der Anteil betroffener Haushalte stieg, zudem vergrößerte sich bei denen, die betroffen waren, die Kostenlücke.

Für Grundsicherungshaushalte, die in Miete leben, ergaben sich für 2024 folgende Werte:

  • 334.000 Bedarfsgemeinschaften, also 12,6 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften bekamen nicht die tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung erstattet (2023: 12,2 Prozent). Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund
    116 Euro im Monat (+ 13 % zu 2023: 103 Euro im Monat), rund 17 % der tatsächlichen Kosten 2023: 16 %), aus Regelbedarf oder Ersparnissen selbst finanzieren.

Werden die Kosten der Unterkunft getrennt nach Miete und Heizkosten betrachtet, gilt:

  • 8,8 Prozent aller Bedarfsgemeinschaften bekamen nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Unterkunft (Miete) erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund 121 Euro im Monat (2023: 111 Euro im Monat), rund 23,2 % der tatsächlichen Mietkosten, aus Regelbedarf oder Ersparnissen selbst finanzieren.
  • Durchschnittlich knapp 60.000 Bedarfsgemeinschaften bekamen in 2024 nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Heizung erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich über 58 Euro im Monat, 35 % der tatsächlichen Heizkosten, aus Regelbedarf oder Ersparnissen selbst finanzieren.

Wird die Wohnkostenlücke getrennt nach Familienverhältnissen betrachtet, gilt:

  • 170.000 Personen, also 12 Prozent aller 1-Personen-Bedarfsgemeinschaften bekamen in 2024 nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Unterkunft und Heizung erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund 97 Euro im Monat (2023: 87 Euro im Monat), gut 18 % der tatsächlichen Kosten, selbst finanzieren.
  • 121.000 Bedarfsgemeinschaften, also 13 Prozent aller BGs mit Kindern bekamen nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Unterkunft und Heizung erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund 142 Euro im Monat (+ 15 % zu 2023: 124 Euro im Monat), rund 16 % der tatsächlichen Kosten, selbst finanzieren.
  • 54.000 Bedarfsgemeinschaften, also 12 Prozent aller BGs, in denen mindestens 1 Kind unter 6 Jahren lebt, bekamen nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Unterkunft und Heizung erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund 146 Euro im Monat (+ 14 % zu 2023: 128 Euro im Monat), rund 16 % der tatsächlichen Kosten, selbst finanzieren.
  • 70.000 Bedarfsgemeinschaften, also 14 Prozent aller Alleinerziehenden-BGs bekamen nicht die tatsächlichen Ausgaben für die Unterkunft und Heizung erstattet. Diejenigen, die davon betroffen waren, mussten durchschnittlich rund 131 Euro im Monat (+ 14 % zu 2023: 115 Euro im Monat), rund 16 % der tatsächlichen Kosten, selbst finanzieren.

Vorhaben der Bundesregierung, die Wohnkostenlücke schließen zu wollen oder auch nur, dafür eine Verantwortung bei sich zu sehen, sind nicht erkennbar. Die derzeitigen Regelungen zu den Bedarfen des Wohnens und Heizens im Bürgergeld seien laut Bundesregierung ausreichend, teils gar zu großzügig.

Cansin Köktürk, Sprecherin für Sozialpolitik der Fraktion Die Linke, erklärt zu den Ergebnissen: „Während Merz gegen arme Menschen im Bürgergeld Stimmung macht, müssen hunderttausende Betroffene im Schnitt 116  Euro selber draufzahlen nur für die Miete. Und das mit dem Geld, das eigentlich für das tägliche Leben gedacht ist – für Kleidung, für Essen oder für den Zoobesuch mit den Kindern. Die Ergebnisse unserer kleinen Anfrage zur Wohnkostenlücke zeigen: Die Merz-Regierung lässt Menschen am Existenzminimum allein – und verletzt damit das Prinzip des Sozialstaats. Diese Zahlen sind ein Skandal für ein Land, das sich selbst sozial nennt.“

Sahra Mirow, Sprecherin für Soziales Wohnen der Fraktion Die Linke, erklärt: „Die Wohnkostenlücke ist nicht hinnehmbar! Betroffene müssen jeden Tag kalkulieren, wie sie über die Runden kommen, und rutschen dabei immer tiefer unter das Existenzminimum.  Währenddessen erzielen Immobilienkonzerne mit überteuerten Mieten horrende Gewinne – Gewinne, teils sogar indirekt durch staatliche Leistungen. Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben. Aber solange das Defizit an Sozialwohnungen besteht, um alle Haushalte mit Anspruch auf eine Sozialwohnung zu versorgen, und solange steigende Mieten noch immer ein Armutsrisiko darstellen, muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass im Bürgergeld die realen Wohn- und Energiekosten übernommen werden. Menschen dürfen nicht vor die unmenschliche Wahl gestellt werden, zu hungern oder zu frieren. Jeder muss das Recht auf eine bezahlbare Wohnung haben. Die Miet- und Energiepreise müssen gedeckelt werden!“