Positionspapier des Arbeitskreises Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Innen, 8. Juni 2023
Verantwortlich: Petra Sitte, Magdalena Depta-Wollenhaupt, Simon Weiß
Streamingdienste wie Spotify, Apple Music und Co. haben verändert, wie wir Musik hören. Für einen festen Preis oder etwas Werbung fast jedes denkbare Stück hören zu können, ganz legal, ist ein attraktives Angebot. Aber die Musikschaffenden selbst haben derzeit das Nachsehen auf diesem Markt. Woran liegt das und wie kann man das ändern?
Wer kriegt was?
Wo bleiben derzeit die Einnahmen aus dem Musikstreaming? Zunächst einmal nehmen sich Spotify & Co. ihren eigenen großzügigen Anteil. Das sind im Durchschnitt etwa 30 Prozent. Aber auch von den restlichen 70 Prozent landet das meiste nicht bei denen, die die Musik machen.
Der Hauptgrund sind die schon vorher auf dem Musikmarkt bestehenden Strukturen, in denen ein Kartell von wenigen Labels (Universal, Sony und Warner) den Markt beherrscht. Diese haben sich die Rechte und den Großteil der Einnahmen in Verträgen gesichert, in vielen Fällen schon bevor Streaming überhaupt aufgekommen ist.
…und wofür?
Weil die Einnahmen aus Abos und Werbung erst einmal in einem großen Topf landen, stellt sich auch die Frage, wie sie eigentlich auf die verschiedenen Musikstücke aufgeteilt werden. Standard ist derzeit das „Pro Rata“-System, bei dem für jedes Stück einfach gezählt wird, wie oft es gehört wurde. Das klingt erst einmal fair.
Aber es gibt auch Kritik: Das System ist manipulierbar, begünstigt Musikgenres mit kurzen Stücken und gewichtet das Hörverhalten verschiedener Menschen sehr unterschiedlich. Ein Gegenvorschlag ist ein „benutzerzentriertes“ System, bei dem das Geld pro Abo auf die jeweils gehörte Musik aufgeteilt wird.
…auf welcher Grundlage?
Das Hörverhalten auf den Plattformen wird von Empfehlungsalgorithmen und fertig zusammengestellten Playlists mitbestimmt. Wie diese zustande kommen, bleibt im Dunkeln – dabei können sie großen Einfluss darauf haben, was gehört wird und wie dementsprechend die Entlohnung aussieht. Das öffnet auch die Tür für Deals, in denen die Plattformen ihre Position benutzen, um Reichweite zu verkaufen.
Außerdem müssen natürlich alle Titel auf den Plattformen auch mit den nötigen Metadaten verknüpft sein, um zu erkennen, wem die Rechte daran gehören. Denn teilweise scheitert die Vergütung schon daran.
Was tun?
Damit die Musikschaffenden beim Streaming zu ihrem Recht kommen, müssen eine Reihe von Handlungsfeldern angegangen werden.
Erstens müssen wir ihre Verhandlungsposition stärken, insbesondere gegenüber den Labels. Die Probleme sind nicht neu, und auch die Antwort darauf liegt schon lange auf dem Tisch: Die Rechte der Kreativen im Urhebervertragsrecht müssen gestärkt werden. Insbesondere ist dort ein Verbandsklagerecht nötig; denn bereits jetzt sind theoretisch viele Dinge gut geregelt, die aber einzuklagen, ein großes individuelles Karriererisiko bedeuten würde. Hier braucht es ein Kollektiv.
Zweitens löst aber auch das nicht die bestehenden Ungerechtigkeiten von heute auf morgen. Daher brauchen wir eine gesetzliche Direktvergütung für Musikstreaming, also eine unmittelbare Abgabe, die von den Streamingplattformen direkt an die Musikschaffenden ohne Umweg über die Labels gilt. Für Plattformen wie Youtube ist etwas Vergleichbares gerade erst eingeführt worden. Die Ausgestaltung einer solchen Abgabe würde Kreative und Plattformen an einen Verhandlungstisch bringen – mit dem Nebeneffekt, dass auch Themen wie Verteilung und Transparenz auf die Tagesordnung könnten.
Drittens muss angesichts der Verhältnisse auf dem Streamingmarkt eine wirksame Marktregulierung greifen, als Reaktion auf die enorme Marktmacht der Labels und Plattformen. Absprachen, Preisfestsetzungen, Algorithmen etc. müssen unter die Lupe. Ein Vorbild ist der gerade auf europäischer Ebene verabschiedete Digital Markets Act, mit dem große Digitalunternehmen am Missbrauch ihrer Marktmacht gehindert werden sollen; ausgerechnet Musikstreamingdienste sind davon bisher nicht erfasst, was revidiert werden sollte.