Zunächst landete ich über eine Leihfirma in Offenbach bei Opel in Rüsselsheim. Hier wurde ich ohne mein Wissen weiter verliehen an eine Firma Formel D, die mich wiederum an eine Firma SCR verlieh, die im Auftrag von Opel für die Qualitätskontrolle zuständig war. Gemeinsam mit Opelwerkskollegen prüften wir täglich Scheinwerfer aus China, Kabelstränge aus Ungarn oder Aschenbecher aus Bulgarien auf deren Funktion. Im Gegensatz zur Stammbelegschaft trugen wir gesonderte Arbeitskleidung, die uns deutlich von den Opelanern unterscheiden sollte. Unsere Opelkollegen erhielten für die Arbeit einen Stundenlohn von 16,50 Euro plus Schichtzulagen, wir erhielten dagegen für die gleiche Tätigkeit lediglich 7,15 Euro ohne Zulagen. Dafür durften wir in der Kantine für das Mittagessen genau den doppelten Betrag bezahlen.
Dass diese Art von prekären Beschäftigungsverhältnissen in Zukunft bei Opel und anderen Unternehmen verstärkt eine Rolle in der Personalplanung spielen wird, zeigt der Umgang mit der Opeljugend. Hier erhielten im Jahre 2005 alle Azubis nach Beendigung der Lehre die Kündigung und mit dem Kündigungsschreiben die Möglichkeit, über das sogenannte Adecco-Zukunftsprojekt wieder an den gleichen Arbeitsplatz zurückzukehren. Allerdings nicht mehr als Werksarbeiter von Opel, sondern als Mitarbeiter des Leiharbeitsriesen Adecco zu 30 Prozent weniger Entlohnung.
Nach Opel wurde ich bei Bayer Jobactive für 6,42 Euro eingesetzt, Die Werksarbeiter von Bayer erhielten Tariflohn von 17,50 Euro die Stunde. Es zeigte sich eindeutig, dass die neuen gesetzlichen Regelungen mit der Ausweitung der Überlassungsdauer und dem Wegfall der Regelung für gleiche Lohnzahlung zu einem Funktionswandel in der Leiharbeit geführt haben: Weg vom kurzfristigen Ersatz bei Krankheit oder Urlaub – hin zur massiven Verdrängung von werkstariflichen Arbeitsplätzen. Hiervon ist mittlerweile jeder von uns betroffen und dies bereits mehrfach.
Die Aufstockung von Löhnen und Gehältern mit Hartz IV kostet den Staat jährlich 9,3 Milliarden Euro, die aus Steuergeldern finanziert werden. Hinzu kommt, dass bei 30 Prozent geringerem Lohn die Abgaben für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung genau um 30 Prozent geringer sind. Wir subventionieren somit den Untergang unseres sozialen Sicherungssystems.
Ich erlebte, wie Arbeitslose und Leiharbeiter stigmatisiert, gemobbt und als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, sei es bei den Behörden, am Fließband oder als Erntehelfer. Trotz Vollzeitarbeit reichte mein Lohn nicht zum Leben. So erhielt ich bei einem namhaften Großunternehmen nur 50 Prozent des gesetzlich vorgeschriebenen Tariflohnes. Ich war gezwungen, zusätzlich staatliche Unterstützung zu beantragen und karitative Einrichtungen wie Speisetafeln und Kleiderkammern zu nutzen. In meinem Report analysiere ich die persönlichen und ökonomischen Auswirkungen der Billiglohnpolitik und zeige die Folgen, die einerseits einen dramatischen sozialen Abstieg für die Betroffenen und deren Familien bedeuten, andererseits den Unternehmen satte Prämien und zusätzlichen Profit bringen.
Die politischen Aktivitäten von CDU, SPD und GRÜNEN zur Einführung einer Mindestlohnregelung für die Leiharbeit werden das Problem der Verdrängung von Arbeitsplätzen nicht beheben. Leiharbeitern den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit zu zahlen, wäre eine Lösung. Das ist eine zentrale Forderung des DGB und auch Inhalt des linken Parteiprogramms, das die Forderung noch durch eine Flexibilitätsvergütung für Leiharbeiter sinnvoll verstärkt.