Pflege in häuslicher Umgebung darf kein Nachteil sein.
Nicht allein essen, sich nicht allein bewegen können. Gedanken gehen verloren, die Verbindung zum Umfeld manchmal auch. Gepflegt zu werden ist für die Betroffenen oft unangenehm. Für die Pflegenden in der Familie aber auch. Viele Angehörige verausgaben sich und sind erschöpft. Nicht selten sind sie überfordert und gefährden ungewollt auch diejenigen, denen sie helfen wollen.
In Deutschland sind über zwei Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Mehr als zwei Drittel werden zu Hause versorgt, der größte Teil allein von ihren Angehörigen – dabei überwiegend von Frauen. Pflegebedürftige brauchen häufig über Jahre und rund um die Uhr Betreuung.
Die Familie als Hauptort der Pflege – dies entspricht der Zielsetzung der 1995 eingeführten Pflegeversicherung. Leistungen wie Pflegegeld, Pflegeurlaub und Pflegezeit zielen darauf, die Betreuung durch Angehörige zu fördern. Dafür geben viele Frauen ihre Erwerbsarbeit auf, denn Pflege und Berufstätigkeit lassen sich kaum vereinbaren. Hinzu kommt oft die Kinderbetreuung. So kommt es zur »Sandwichgeneration« – vor allem Frauen tragen die Doppellast von Kinderbetreuung und Pflege.
Den individuellen Bedarf an Pflege decken die Leistungen der Pflegeversicherung nicht ab. Immer mehr Menschen leben alleine, ihre Kinder arbeiten weit entfernt. Um bei Pflegebedürftigkeit in der häuslichen Umgebung bleiben zu können, muss deshalb ein großer Teil der Pflegeleistungen selbst bezahlt werden. Nicht alle können sich das leisten. Viele entscheiden sich in dieser Situation für ein Pflegeheim und sind dann auf Sozialhilfe angewiesen, um die Kosten zu decken. Vor allem Frauen sehen sich damit konfrontiert: Nicht selten pflegen sie zunächst ihre Eltern, danach ihren Lebenspartner zu Hause und landen im Alter schließlich selbst im Pflegeheim.
Die Pflegeversicherung muss zukunftsfähig werden. Die meisten Menschen wünschen sich, bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit in der häuslichen Umgebung bleiben zu können. Doch dieser Wunsch bedeutet nicht unbedingt, auch von den eigenen Angehörigen gepflegt zu werden. Im Gegenteil. Damit Menschen es sich leisten können, auf professionelle Pflege zurückzugreifen, ist perspektivisch der individuelle Bedarf an Pflege abzudecken. Gute Pflege darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein!
Von Melanie Wehrheim und Daniel Fuchs