Zum Hauptinhalt springen

Ferienjobs: immer noch unfair ?für Hartz-IV-Jugendliche

erschienen in Clara, Ausgabe 16,

Als der Skandal vor einem Jahr ein »Gesicht« bekam, das der 15-jährigen Laura, waren sich Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien einig. Einkommen aus Ferienjobs von Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien darf nicht länger auf die Sozialleistungen der Eltern angerechnet werden. Es war Wahlkampf, und Einigkeit gab es nur in einer Talkshow. Da sahen alle anwesenden Politiker ein, es müsse sich sofort etwas ändern. »Dieser Fall wird nicht wieder vorkommen«, empörte sich Volker Kauder in der Fernsehsendung »Hart aber Fair« und Rainer Brüderle pflichtete bei: »Wenn wir die Mehrheit bekommen.« Die einzige Partei, die sofort eine Gesetzesänderung beantragte, war DIE LINKE. Der Antrag wurde von der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags abgelehnt.

Inzwischen ist fast ein Jahr vergangen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag haben sich zugunsten von Schwarz-Gelb verändert. Doch das von deren Politikern gegebene Versprechen, Hartz-IV-Ferienjobber genauso wie andere Jugendliche zu behandeln, wurde gebrochen. Nach einem erneuten Antrag der LINKEN legte auch die SPD – nun in der Opposition – Ende Februar ebenfalls einen Antrag vor. In den Gepflogenheiten parteipolitischer Ränkespiele machte die Regierungskoalition einen Rückzieher – mit einer fadenscheinigen Begründung. Das Problem blieb ungelöst.
 
Franziska Quietkowski, ihre drei Geschwister und ihre Mutter leben seit Jahren von Arbeitslosengeld II. Geldsorgen sind bei ihnen zu Hause ein Dauerthema. Das Mädchen geht ebenso wie ihre Schwester in die 11. Klasse der Borwinschule in Rostock. An Wochenenden und in den Ferien kellnert Franziska, um ihrer Mutter nicht auf der Tasche zu liegen und sich eigene Wünsche erfüllen zu können. Die sind bescheiden, mal in die Disco, mal ein Kino-Besuch, ein schickes T-Shirt oder Schuhe. Franziska will Architektin werden. »Dann will ich anders leben, genügend Geld und weniger Sorgen haben als meine Mutter.« Dafür strengt sie sich in der Schule an. Die 17-Jährige hat ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Sie erzähle nicht gern von sich, aber sie diskutiere viel mit ihren Klassenkameradinnen und -kameraden über Politik und die Zustände in diesem Land. »Es ist ungerecht, wenn das Geld, das ich am Wochenende oder in den Ferien verdiene, meiner Mutter durch das Arbeitsamt wieder abgezogen wird. Es sind doch immer nur Politiker-Sprüche.« Franziskas Freundinnen und Freunde, deren Eltern nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind, dürfen pro Jahr bis zu 7.680 Euro ohne Abzug verdienen.

Verständnis, Versprechen, vertrösten, aber keine Taten: All das hilft weder Franziska noch den rund 500 000 Hartz-IV-Ferienjobbern. Und manchmal bemerkt auch die Bundesregierung, dass sie endlich handeln muss. Seit dem 1. Juni dürfen Jugendliche aus Hartz-IV-Familien ihr in Ferienjobs verdientes Geld bis zu 1.200 Euro komplett behalten, ohne dass es Abzüge bei den Regelleistungen gibt. Der monatliche Freibetrag von 100 Euro für regelmäßige Schülerjobs, wie etwa Prospekte austragen, gilt unabhängig davon weiter. Vermutlich ist die Regierung stolz auf dieses bisschen Gerechtigkeit. Matthias W. Birkwald erwiderte für die Fraktion DIE LINKE in seiner Rede am 6. Mai 2010: »Endlich will die Bundesregierung Einkommen aus Ferienjobs teilweise freistellen. Damit hat sich der Antrag der SPD erledigt. Aber damit hat sich der Antrag der LINKEN noch nicht erledigt. Ich fordere Sie auf: Streichen Sie die Verdienstgrenze für jobbende Schülerinnen und Schüler, die im Hartz-IV-System stecken! Schutz und Motivation brauchen eine Arbeitszeitbegrenzung, aber keine Verdienstgrenze!«