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Frommer Wunsch oder realistisches Ziel?

erschienen in Querblick, Ausgabe 6,

Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft

Im Jahre 2001 schloss die damalige Bundesregierung eine freiwillige Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft ab. Gesetzliche Maßnahmen wurden damit zugleich als überflüssig betrachtet und ad acta gelegt.

Was hat diese Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur aktiven Förderung der Gleichstellung nun gebracht? Die Fakten belegen: Leider nicht viel! In nur wenigen Betrieben gibt es konkrete Betriebsvereinbarungen zur Chancengleichheit, Frauenförderpläne sind weiterhin die Ausnahme. Die Zahl erwerbstätiger Frauen steigt an, aber das von ihnen bewältigte Arbeitsvolumen sinkt. Ein Widerspruch? Mitnichten! Es ist de facto nur zu einer Umverteilung des »weiblichen« Arbeitsvolumens auf mehr Frauen gekommen: Viele Frauen arbeiten in Teilzeit.

Frauen arbeiten nach wie vor in Berufsfeldern, die kaum Perspektiven bieten und niedrig entlohnt werden. Oftmals arbeiten sie zu Stundenlöhnen weit unter dem geforderten Mindestlohnniveau von 8,45 Euro. »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« – ein hehrer Grundsatz, aber immer noch nicht Realität, wie Studien des Statistischen Bundesamtes belegen. Der relative Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern in Deutschland lag in den letzten zehn Jahren kontinuierlich über 20 Prozent. Im europäischen Vergleich bedeutet das den drittletzten Platz. Die Lohnungleichheit nimmt im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern sogar wieder zu! Zudem wird Frauen auch die Übernahme der gleichen Arbeit oftmals verwehrt. Trotz vorhandener Eignung gelingt es Frauen selten, Führungspositionen zu erringen. In den 100 größten deutschen Unternehmen hatten 2004 nur vier Frauen einen Vorstandsposten. Obwohl internationale Studien belegen, dass Unternehmen, in denen Frauen Führungspositionen ausüben, erfolgreicher sind, beträgt ihr Anteil bei deutschen Unternehmen nur etwa 10 Prozent. Die gläserne Decke ist fest zementiert!
Das Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 ändert an dieser Situation nichts, da es nur die nachweislich direkte individuelle Diskriminierung einklagbar macht. Es erfasst weder die strukturellen Benachteiligungen noch stellt es eine konkrete Fördermaßnahme dar.

Auf Nachfragen verweist die Bundesregierung neben der erwähnten Vereinbarung auf die Girls-Days, das Internetportal www.frauenmachenkarriere.de und die bundesweite Gründerinnenagentur. Vor dem Versagen der Selbstverpflichtung der Wirtschaft schließt sie die Augen. Das überrascht nicht, wenn frau sich den Umgang der Bundesregierung mit dem öffentlichen Dienst anschaut. Der 1. Erfahrungsbericht zum Bundesgleichstellungsgesetz, welcher den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2004 umfasst, wurde erst Ende 2006 vorgelegt.

Eine gesetzliche Verpflichtung zum wirksamen Abbau struktureller Benachteiligungen und die Förderung der Gleichstellung durch geeignete Maßnahmen erweisen sich gerade für die Privatwirtschaft als zunehmend notwendig. So könnten Unternehmen verpflichtet werden, jährlich konkrete Ziele und deren Umsetzung festzulegen. Diese beträfen die Verteilung der Arbeit, die Entgeltgleichheit, die Relation von Frauen und Männern auf allen Ebenen des Unternehmens (inklusive Auszubildende), spezielle Qualifizierungsprogramme und Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigung.

Ein Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft muss durch weitere gesetzliche Maßnahmen flankiert werden. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ist von oberster Priorität. Darüber hinaus steht auch eine deutliche Anhebung der Entlohnung in einer Reihe frauentypischer Berufe, in denen die öffentliche Hand als Tarifpartner agiert (z.B. Erzieherinnen und Lehrerinnen), auf der Tagesordnung.
Barbara Höll, MdB, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Steuerpolitische Sprecherin