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Ihr gutes Recht

erschienen in Clara, Ausgabe 16,

Unsere Fraktion erhält täglich viele Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern?zur Rechtsprechung und Gesetzgebung. MdB Wolfgang Neskovic, Justiziar?der Bundestagsfraktion und Richter am Bundesgerichtshof a.D., kommentiert?kurz und knapp in jeder Ausgabe der clara. eine Auswahl aktueller Urteile

Volle Anrechnung des Kindergelds auf Hartz IV verfassungsgemäß
Dies hat zumindest das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom ?11. März 2010 (1 BvR 3163/09) entschieden. Der Beschwerdeführer war der Auffassung, das Kindergeld müsse zur Hälfte anrechnungsfrei bleiben – und damit zusätzlich zu Hartz?IV ausgezahlt werden. Dieser Betrag entspräche der Steuervergünstigung in Form des Kinderfreibetrags. Das Gericht sah das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht verletzt, weil der Beschwerdeführer im Ergebnis durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe bekäme. Dieses Grundrecht verlange keine Sozialleistungen, die den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für Kinder in gleichem Maße berücksichtige wie das Steuerrecht. Auch der Gleichheitsgrundsatz verpflichte den Gesetzgeber nicht dazu, Sozialleistungen zu gewähren, die diesen Steuervergünstigungen entsprechen.

Keine höheren Regelleistungen?für die Vergangenheit
Aus dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zu HartzIV ergebe sich kein Anspruch auf höhere Regelleistungen für die Vergangenheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 24. März 2010 beschlossen?(1 BvR 395/09). Die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften seien wegen der Umsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar. Die vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Härtefallregelung gelte erst ab der Urteilsverkündung. Eine rückwirkende Geltung habe das Bundesverfassungsgericht in dem Grundsatzurteil nicht angeordnet.

Keine einmaligen Leistungen für Mehrbedarfe wegen Kinderkleidung im Wachstumsalter
Kinder im Wachstumsalter haben über den Regelsatz hinaus keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für Bekleidung. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 23. März 2010 (B 14 AS 81/08 R) entschieden, dass der wachstumsbedingte besondere Aufwand als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf von der Regelleistung abzudecken sei. Da er regelmäßig bei allen Kleinkindern anfalle, stelle er keine besondere Härte im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil entwickelten Härtefallregelung dar.

Nur weibliche Gleichstellungsbeauftragte – Keine Diskriminierung
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2010 (8 AZR 77/09) entschieden, dass eine Gemeinde bei der Besetzung der Stelle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten die BewerberInnenauswahl auf Frauen beschränken darf, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeiten in Projekt- und Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet wäre. Dies sei der Fall, wenn Frauen in Problemlagen angesprochen werden sollen, in denen die Betroffene sich einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten typischerweise besser offenbaren könne oder nur einer Frau Lösungskompetenz zutraue. Da die Tätigkeit im vorliegenden Fall insbesondere Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen und die Unterstützung von Opfern von Frauendiskriminierung umfasste, sah das Gericht diese Voraussetzungen für gegeben an. Es liege eine zulässige Diskriminierung i. S. d. § 8 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor.