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Im Dunkeln sitzen gelassen

erschienen in Clara, Ausgabe 38,

Fast 352.000 Haushalten wurde im Jahr 2014 in Deutschland der Strom abgestellt. Besonders häufig betroffen sind Hartz-IV-Beziehende.

Wenn man zu Hause den Lichtschalter drückt, geht die Lampe an und erhellt den Raum. Das ist eine Erfahrung, die fast alle Menschen jeden Tag vielfach machen, ohne darüber nachzudenken. Doch wehe, wenn der Strom abgestellt ist. Mit einem Schlag ändert sich der Alltag radikal.   In der Früh ist die Wohnung dunkel – und oft eisig, falls die Gastherme mit Strom betrieben wird. Weil Wasserkocher, Herd und Backofen nicht funktionieren, muss man auf heiße Getränke und warme Speisen verzichten. Um Kleidung zu waschen, muss die Maschine beim Nachbarn genutzt werden. Computer, TV und Stereoanlage verstauben als unbrauchbare Möbelstücke.    Im Jahr 2014 wurde laut Bundesnetzagentur knapp 352.000 Haushalten in Deutschland der Strom abgestellt. Das ist eine erneute Steigerung gegenüber dem Vorjahr (siehe Grafik). Geht man davon aus, dass in jedem Haushalt drei Personen leben, so waren hierzulande im vergangenen Jahr etwa eine Million Menschen von Stromsperren betroffen. Ein Großteil von ihnen war auf Hartz IV angewiesen.    In Deutschland regelt eine einfache Rechtsvorschrift, wann einem Haushalt der Strom abgestellt werden darf. Eine Stromsperre kann bereits bei einem Zahlungsrückstand von nur 100 Euro erfolgen. Das Energieunternehmen muss lediglich eine Mahnung verschicken, dann die Stromsperrung mit Fristsetzung androhen und drei Tage vor Ablauf der Frist erneut auf die drohende Abschaltung hinweisen.   Hohe Energiekosten, niedrige Löhne   Die Gründe für die vielen Stromsperren liegen auf der Hand: Die Stromkosten haben sich für Haushaltskunden seit dem Jahr 2002 verdoppelt, Löhne und Gehälter sind im selben Zeitraum kaum gestiegen. Seit Jahren müssen Haushalte mit niedrigem Budget einen relativ hohen Anteil ihres Einkommens für Energie aufwenden. Sie verfügen zudem oft nicht über ausreichend Geld, um energiesparende Geräte zu kaufen, was wiederum den Stromverbrauch erhöht. So kommt es, dass Haushalte, in denen Monat für Monat mit jedem Euro kalkuliert werden muss, rasch finanziell überfordert sind, wenn sie eine Nachzahlungsforderung des Stromanbieters erhalten. Schnell summieren sich so die Stromschulden – mit verheerenden Folgen.   Hinzu kommt, dass anders als beispielsweise bei Miete und Heizkosten die Stromrechnung nicht vom Jobcenter oder Sozialamt beglichen wird. Die Kosten müssen aus dem regulären Hartz-IV-Satz bezahlt werden. Harald Thomé vom Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e. V. kritisiert, dass bei der Berechnung dieses Regelsatzes die Kosten für Energie zu gering veranschlagt wurden. Pro Monat fehlten rund 13 Euro, um den Energiebedarf eines Ein-Personen-Haushalts zu decken. Zwar können Jobcenter und Sozialämter ein Darlehen gewähren, um die Rechnung beim Energieunternehmen zu bezahlen. Doch ein solches Darlehen ist an viele Voraussetzungen gebunden, und oft wimmeln Ämter Antragstellerinnen und -steller ab.   Während zum Beispiel in Frankreich und Belgien privaten Haushalten im Winter der Strom nicht abgestellt werden darf, hat die Bundesregierung bisher nichts unternommen, um das Problem der Stromsperren zu beheben. Statt Menschen zu unterstützen, die ihre Stromrechnung nicht bezahlen können, subventioniert sie Industriebetriebe mit besonders hohem Energieverbrauch. Diese Industrierabatte kosten die Steuerzahlerinnen und -zahler pro Jahr rund fünf Milliarden Euro.   DIE LINKE hat im Mai 2015 die Kampagne „Das muss drin sein.“ gestartet. Mit dieser Kampagne will sie prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen thematisieren und bekämpfen. Eines der Ziele dieser Kampagne lautet: „Wohnen und Energie bezahlbar machen!“ Aus diesem Grund bildet im Winter 2015/2016 der Einsatz für ein Verbot von Stromsperren einen der Schwerpunkte der Kampagne.