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»Klimaschutz braucht soziale Gerechtigkeit«

erschienen in Klar, Ausgabe 7,

Interview mit Dr. Hermann E. Ott

Laut UN-Klimabericht haben wir nur noch rund 15 Jahre Zeit, um den Klimawandel aufzuhalten. Warum?

Dr. Hermann E. Ott: Das erklärt sich aus der Physik: Erhöht sich die durchschnittliche Erwärmung des Planeten um über 2 Grad Celsius, hätte das katastrophale Folgen. Um das zu verhindern, muss die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre unterhalb eines bestimmten Niveaus gehalten werden. Dieses Niveau wird vermutlich 2020 erreicht. Ab diesem Zeitpunkt müssen die weltweiten Emissionen deshalb zurückgehen. Die Industrieländer müssen hier vorangehen und ihre Emissionen bis 2020 um etwa 30 Prozent mindern.

Experten sind sich einig: Das Kyoto-Protokoll war ein wichtiger, aber noch kein ausreichender Schritt in der Klimapolitik. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein gerechter Nachfolge-Klimavertrag aussehen?

Er müsste vier Elemente umfassen: Erstens müssen die Industriestaaten sich verpflichten, ihren C02-Ausstoß kräftig zu mindern. Für Schwellenländer wie Südkorea oder China müssten, zweitens, schwächere Emissionsziele gelten. Drittens müssen diese Länder von den Regierungen des Nordens massiv Geld erhalten, das dort Umbauprogramme zur solaren Wirtschaft mitfinanziert. Den schwächsten Staaten muss schließlich mit sehr viel Geld und Know-how bei der Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel geholfen werden.

Eine Ihrer Studien zur Zukunft der Klimapolitik ist mit »Gerechtigkeit im Treibhaus« untertitelt ...

Wir können das Klimaproblem nur lösen, wenn wir soziale Gerechtigkeit schaffen - national und international. In einer ungleichen Welt richten die Habenichtse ihr ganzes Streben darauf, zu Habenden zu werden. Erst wenn die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen befriedigt sind, kann über Ökologie und Klimaschutz nachgedacht werden. Deshalb müssen wir den Klimaschutz so organisieren, dass er gleichzeitig den Menschen ein Auskommen schafft.

Dr. Hermann E. Ott leitet das Berliner Büro des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Als Mitautor verfasste er das Standardwerk "Das Kyoto-Protokoll".