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Solidarität ist lebensnotwendig!

erschienen in Lotta, Ausgabe 1,


Frauen in Griechenland haben sich zusammengeschlossen. Wann war das?
Die Initiative wurde knapp ein Jahr nach Beginn der Schocktherapie, die uns die Troika, sprich der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission auferlegt haben, gegründet. Öffentlich aufgetreten sind wir dann erstmals am 8. März 2011 in Thessaloniki bei der Frauentagsdemonstration.
 

Was hat für euch das Fass zum Überlaufen gebracht?  
Die Löhne wurden so niedrig festgeschrieben, dass wir einfach Widerstand leisten mussten. Sie lassen uns arbeiten ohne Rechte und soziale Absicherung. Das neueste »Maßnahmepaket« vom Februar bedeutet, dass die jungen Beschäftigten – 49 Prozent von ihnen sind ohnehin arbeitslos - nicht über ein Monatseinkommen von 417 Euro hinauskommen. Die jetzigen Pensionen erreichen gerade einmal    320 Euro. Wir spürten, uns vertritt niemand mehr. Wir müssen das selbst tun.

Was könnt ihr erreichen?
Das sind ganz praktische Dinge. Zum Beispiel waren wir an der Seite der Eltern, die sich gegen Schulschließungen gewehrt haben oder Schulbücher und geheizte Räume für ihre Kinder forderten. Eltern organisieren inzwischen auch die Verteilung von Milch und Butterbroten an Schülerinnen und Schüler, die an Mangelernährung leiden. Die Zahl steigt, etwa 10 Prozent der Schulkinder brauchen inzwischen diese Hilfe.  
Wir Frauen waren in Athen bei der Internationalen Konferenz gegen die Schulden. Das war eine  »von unten« und auf Bürgerbeteiligung organisierte Zusammenkunft. Gleich danach startete die »Bewegung der Empörten«. Drei Monate zog sie durchs Land, wir Frauen waren immer dabei. Unser großes Transparent dominierte auch lange Zeit den Syntagma-Platz vor dem griechischen Parlament.

Was für Frauen fanden sich in der Initiative zusammen?  
Es sind vor allem Frauen ohne große politische Erfahrung und nur wenige herausragende Feministinnen. Unter uns sind Frauen jeden Alters und jeder sozialen Herkunft. Es reicht von Journalistinnen und Künstlerinnen bis zu Putzfrauen, Ärztinnen und Kinderkrankenschwestern. Uns eint die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Und wir alle tragen ja auch ganz persönlich die Lasten der Sparzwänge.

Können Sie Beispiele nennen?
Das griechische Parlament hat zum Beispiel entschieden, dass Geburten kostenpflichtig sind. Frauen müssen dafür bis zu 1 000 Euro zahlen. Können sie das nicht, werden sie von den Krankenhäusern abgewiesen. Oder alles das, was mal in öffentlicher Hand war – Kinderbetreuung, Altenpflege –, fällt einfach weg. Die gesamte Daseinsvorsorge liegt wieder in den Familien, bei den Frauen. Wenn die erwachsenen Kinder keine Arbeit bekommen, müssen sie bei den Eltern wohnen bleiben, von ihnen mit ernährt werden. Das alles ist absolut gratis, keine Frau erhält auch nur einen Cent dafür. Sie können sich also vorstellen, was das bedeutet für Millionen Frauen: körperliche und geistige Ermüdung, nervöse Anspannung und vorzeitiges Altern.

Habt ihr auch Angst, selbst müde zu werden?
Unser Kampf wird kein leichter sein. Doch wir haben keine Wahl mehr. Millionen griechische Frauen müssen um ihr Überleben kämpfen. Eure Solidarität, die Solidarität aller Frauen, ist ihnen wichtig und sogar lebensnotwendig. Zeigt sie jetzt ...