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"Teile des Geheimpakts TTIP konnte ich lesen - aber darüber reden darf ich nicht"

Von Klaus Ernst, erschienen in Klar, Ausgabe 38,

Die Transparenzoffensive der Europäischen Union beim Handelsabkommen TTIP entpuppt sich als Farce. 

Jahrelang erfuhren Bürgerinnen und Bürger nichts über die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP. Europäische Union und USA verhandelten im Verborgenen. Auch wegen dieser Geheimniskrämerei wuchs die Kritik an dem Abkommen mit den USA. Kürzlich hat die Europäische Union eine „Transparenzoffensive“ bekannt gegeben: Erstmals dürfen Bundestagsabgeordnete Verhandlungsdokumente einsehen. Doch die neue Offenheit entpuppt sich als leeres Versprechen, wie Klaus Ernst (DIE LINKE) erfahren musste.

Böiger Wind fegt durch Berlins Straßen, als Klaus Ernst am 1. Februar 2016 das Bundeswirtschaftsministerium betritt. Sein Ziel: ein kleiner Saal, der als Leseraum für die geheimen TTIP-Dokumente eingerichtet wurde. Als einer der ersten Abgeordneten des Bundestags will er sie lesen und sich ein Bild machen, wie ernst es die Regierung mit der Transparenz meint.


Am Eingang des Ministeriums muss Klaus Ernst einem Wachmann sein Smartphone und seine Aktentasche aushändigen. Beides wird in ein Schließfach gesperrt. Dann erst darf der Parlamentarier den schmucklosen Raum mit den hohen Fenstern betreten. An einem Stehpult neben der Eingangstür muss er zunächst eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben: Er verpflichtet sich, mit niemandem über das zu sprechen, was er gleich erfahren wird. Auch Kopien oder Fotos der Geheimdokumente sind unter Strafandrohung verboten.


Ernst setzt sich an einen der acht Computerarbeitsplätze, hinter sich ein Wandregal mit Aktenordnern. Die Computer sind offline geschaltet, es gibt keinen Internetzugang. Die Dokumente können nur am Bildschirm eingesehen werden. Sie sind in Englisch verfasst, Juristensprache. Eine deutsche Übersetzung gibt es nicht. Ernst: „Offenbar sollen die Abgeordneten die Texte lesen dürfen, aber nicht verstehen.“


Mithilfe einer Dolmetscherin nimmt er sich zwei Kapitel vor: Er vertieft sich in Details über Marktzugänge und Schiedsverfahren zwischen Staaten. Nach zwei Stunden muss Klaus Ernst die Lektüre beenden. Er erhält Handy und Tasche zurück und verlässt das Ministeriumsgebäude. Sein Fazit: „Das ist eine Farce: Die Dokumente waren nicht vollständig, wichtige Anhänge haben gefehlt.“ Und: „Wenn man die Texte nicht vorliegen hat und nicht mit Fachleuten darüber sprechen kann, ist eine Analyse kaum möglich.“ Für ihn ist klar: Von Transparenz keine Spur, auch weil weder Bürgerinnen und Bürger noch die Presse die Dokumente einsehen darf.