Frau Präsidentin! Abgeordnete! Vier Jahre ist es jetzt her, dass uns diese unfassbaren Bilder vom Flughafen in Kabul erreicht haben: Menschen, die sich an startende Flugzeuge klammerten, weil sie wussten, wenn sie bleiben, bedeutet das ihr Ende – Bilder, die bis heute für das politische Versagen des Westens stehen und für das anhaltende Versagen Deutschlands in Afghanistan.
Ich habe gestern mit einer ehemaligen Kollegin der Kabul-Luftbrücke gesprochen, die mir erzählt hat, dass gerade eine hochschwangere Frau in Pakistan zusammen mit ihren Kindern von den Sicherheitskräften, von der Polizei festgenommen wurde, obwohl sie eine Aufnahmezusage für Deutschland hat. Das ist kein Einzelfall, sondern Alltag. Menschen, denen Deutschland Schutz versprochen hat und die per Gerichtsbeschluss Visa erteilt bekommen mussten, sitzen in Pakistan fest. Täglich finden Verhaftungen statt. Hunderte wurden schon zurück nach Afghanistan abgeschoben – direkt in die Hände der Taliban.
Und die Bundesregierung weiß das. Sie kennt die Fälle, sie kennt die Namen. Sie kennt die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die klar verpflichten: Diese Menschen müssen aufgenommen werden.
(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Trotzdem passiert quasi nichts. Statt die Aufnahmezusagen endlich einzulösen, verschleppt die Bundesregierung die Verfahren und stellt bürokratische Hürden auf.
Das sind keine Fehler der Verwaltung. Das ist ein politisches Kalkül, das bereits von der letzten Regierung initiiert wurde. Nach außen konnte man von Herzensprojekten sprechen. Nach innen sorgte man mit Aktenbergen und Auflagen dafür, dass am Ende fast niemand ankam, niemand Zugang zum Programm bekam, niemand darum herumkam, stattdessen lebensgefährliche Wege auf sich zu nehmen, weil die einzigen legalen Wege blockiert und zur tödlichen Falle werden.
Es ist ein Skandal, wenn eine Regierung Zusagen gibt und dann nicht handelt. Es ist ein Skandal, wenn sich über gerichtliche Anordnungen hinweggesetzt wird. Und es ist absurd, dass ausgerechnet wir als Linke jetzt hier die Law-and-Order-Partei sind, weil wir einen Rechtsstaat verteidigen, der von dieser Bundesregierung mit Füßen getreten wird.
(Beifall bei der Linken – Uwe Schulz [AfD]: Wir hätten gerne wieder einen Rechtsstaat!)
Wer Gerichtsbeschlüsse ignoriert, sendet ein klares Signal: Rechte gelten nur so lange, wie sie der Regierung in den Kram passen. Heute trifft es vielleicht afghanische Geflüchtete. Morgen sind es möglicherweise Gewerkschafter/-innen, Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten oder Mieter/-innen, die sich gegen ihre Verdrängung wehren. So sieht Demokratieabbau von innen aus. Das werden wir nicht zulassen.
Jede Woche, die vergeht, bedeutet eine weitere Familie, die auseinandergerissen wird, eine weitere Frau, die gezwungen ist, ihr Engagement aufzugeben, um überhaupt zu überleben, einen weiteren Journalisten, der einfach verschwindet. Die Bundesregierung darf nicht länger zusehen. Sie muss handeln, und zwar sofort. Die Menschen in Afghanistan brauchen keine Vertröstungen mehr, sondern Schutz, und zwar hier und jetzt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)