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Bedenklich, Boris, bedenklich - der Verteidigungshaushalt 2026

Rede von Donata Vogtschmidt,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland steuert im Jahr 2026 auf einen neuen, wenn auch recht traurigen Rekord zu: 108 Milliarden Euro für Verteidigung, so viel wie noch nie seit Ende des Kalten Krieges. Gegenüber 2025 wächst der Etat noch mal um weitere 22 Milliarden Euro an, ein Plus, von dem Schulen, Krankenhäuser oder Rentenkassen nicht einmal träumen dürfen. Panzer, Kampfjets, Munition, Schiffe – eine endlose Spirale von „regelmäßigen Neubeschaffungen“, während ich mich weiterhin frage, wo die Munitionsvorräte und Waffen eigentlich hin sind, die die Bundeswehr nicht mehr findet.

Was mich besonders stört, ist der Etikettenschwindel in der Argumentation. Weil Sie merken, dass nicht alle in der Gesellschaft hinter Ihren Plänen der Aufrüstung stehen, versuchen Sie, diese Militarisierung unter Verweis auf die Nachhaltigkeitsziele der UN zu beschönigen. Eine der Kategorien ist „Gesundheit und Wohlergehen der Bevölkerung“. Laut Bundesregierung erreichen wir das durch die Beschaffung von Sanitätsgerät für die Bundeswehr.

Aber den „Tiger“ schießen Sie auf jeden Fall mit folgender Begründung ab – ich zitiere aus dem Haushalt –:

"„Durch die vorrangige Nutzung der Deutschen Bahn und des Öffentlichen Personennahverkehrs trägt das ‚Kostenlose Bahnfahren in Uniform der Soldatinnen und Soldaten‘ dazu bei, die Treibhausgase zu reduzieren.“"

Vielleicht sollten wir Boris Pistorius zum Verkehrsminister machen; denn anscheinend er hat auf jeden Fall den Zusammenhang zwischen kostenlosem Bahnfahren und Klimaschutz verstanden.

(Beifall bei der Linken)

Was ich aber eigentlich betonen möchte: Wenn es also wirklich um die Reduzierung von Treibhausgasen ginge, könnte man ja auch einfach das Deutschlandticket wieder günstiger machen.

Die Prioritätensetzung der Bundesregierung lässt tief blicken. Zum Beispiel erhält der Verein „Angriff auf die Seele“, der Soldatinnen und Soldaten psychosozial unterstützt, gerade einmal 175 000 Euro – ein absoluter Minimalbetrag. Gleichzeitig verdoppeln Sie aber die Mittel für das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven von 500 000 Euro auf über 1 Million Euro. Sollen sie also ins Museum gehen, wenn es ihnen schlecht geht? Absurd und zutiefst verwerflich! Für die Fassade eines Museums ist mehr Geld da als für die Menschen, die unter militärischen Belastungen leiden.

(Beifall bei der Linken)

Und noch zum vermeintlich freiwilligen Wehrdienst. Im Ausschuss für Bildung, Familie, Frauen, Senioren und – Achtung, es kommt – Jugend wurde bisher nicht einmal darüber diskutiert. Gerade die Jugendlichen, die es im Gegensatz zu Ihnen unmittelbar betrifft, kommen überhaupt nicht zu Wort.

(Ralph Edelhäußer [CDU/CSU]: Das diskutieren wir jede Woche!)

Wollen Sie die jungen Menschen gar nicht erst fragen, weil am Ende ohnehin gilt: „Ein bisschen Zwang gehört wohl einfach dazu“? Wir als Linke stehen auf jeden Fall jederzeit an der Seite der Jugendlichen und sagen Nein zum Weg in den Pflichtdienst.

(Beifall bei der Linken)

Herr Verteidigungsminister, bevor Sie andere in die Pflicht nehmen, ist es Ihre Verantwortung, dass alle Soldatinnen und Soldaten fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen; denn im letzten Jahr wurden in der Bundeswehr 280 rechtsextreme Vorfälle gemeldet, und davon sitzt vermutlich die Hälfte der üblichen Verdachtsfälle mittlerweile selber im Bundestag oder in den angegliederten Büros. Und als wäre das nicht schon alarmierend genug, hören wir nun letzte Woche von Fallschirmjägern in Naziuniformen, sexualisierten Übergriffen, Drogenexzessen sowie einer Razzia bei mutmaßlich Rechtsradikalen, wobei auch Soldaten unter den Beschuldigten sind.

(Roland Theis [CDU/CSU]: Ist das Ihr Respekt für die Truppe?)

Hier steht auch der Verdacht auf unerlaubten Besitz von Kriegswaffen und vollautomatischen Schusswaffen im Raum. Bedenklich, Boris, bedenklich!

Sie haben bereits zum letzten Haushalt gesagt: Wir holen nach, was wir zu lange aufgeschoben haben. Wir reparieren, was verschlissen ist. Und wir bauen auf, was wir in dieser neuen Zeit brauchen. – Herr Pistorius, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu; nur sprechen wir von unterschiedlichen Dingen. Was zu lange aufgeschoben wurde, sind Investitionen in unsere Schulen, in unser Rentensystem und in unsere Krankenhäuser. Wer Sicherheit will, investiert immer zuerst in Leben, und das kann ich in diesem Haushalt beim besten Willen nicht erkennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)