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Bürokratieabbau ist Grundrechtsabbau

Rede von Sonja Lemke,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörende! Wenn wir uns den Haushalt anschauen, dann fällt vor allen Dingen eine Sache auf: Es wird viel ins Sondervermögen verschoben – ein Sondervermögen, das es jetzt zwölf Jahre lang geben wird –: Investitionen in die Verwaltungsdigitalisierung, digitale Identitäten, Registermodernisierung, das Bürger/-innenkonto und die zugehörige Infrastruktur. Denn wir wissen ja alle: Einmal alles digitalisiert, dann ist das Ganze erledigt. Fertig! Dann müssen wir da nicht mehr ran. „Never change a running system“ oder so.

Aber Spaß beiseite! Diese Art der Haushaltsführung ist äußerst unseriös und vor allem auch nicht rechtssicher. Sie tun hier so, als wären das Aufgaben, die, wenn man sie einmal erledigt hat, abgeschlossen sind, als bräuchten wir keine Updates, keine Schulungen und auch keinen Support. Warum tun Sie das? Sie wollen gar keine langfristigen Investitionen; denn dafür müssten Sie ja die Schuldenbremse aufheben.

Sie wollen auch nicht die Einnahmen erhöhen. Sie hetzen lieber gegen Bürgergeldempfänger/-innen und arme Menschen, obwohl Sie genau wissen, dass es da nichts zu holen gibt und dass es für den Staatshaushalt egal ist.

(Beifall bei der Linken)

Denn Sie wollen ja nicht ran an die riesigen Vermögen. Auch wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und uns jedes Jahr Milliarden entgehen: durch das Aussetzen der Vermögensteuer, kaum Erbschaftsteuer und Steuertricks von Reichen und Konzernen. Aber mit einem Kanzler mit 12 Millionen auf dem Konto und einem Digitalminister, der bisher 2,8 Millionen im Jahr verdient hat und bei dem man nicht weiß, wie viel er auf seinem Konto rumliegen hat oder welche Aktien er noch besitzt,

(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Ist doch toll, dass so jemand so einen Job macht hier! Ist doch toll, dass so jemand bereit ist, in der Bundesregierung mitzumachen, und seinen Job aufgibt für so was! Unerhört! – Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Für wen ist das wichtig? Nicht so viel Neid!)

da ist es natürlich klar, dass Sie und Ihre Buddys überhaupt kein Interesse daran haben, Reiche zur Kasse zu bitten. Dann lieber schön weiter nach unten treten.

Dazu passt auch Ihr Lieblingsprojekt: „Bürokratieabbau“, wie Sie es nennen, was aber in den meisten Fällen eher Grundrechteabbau ist. Gerade im digitalen Raum lauern viele Gefahren.

(Zuruf der Abg. Franziska Hoppermann [CDU/CSU])

Durch Datensammeln und automatische KI-Auswertung ist es möglich, detaillierte Profile von jedem Einzelnen zu erstellen, uns zu ranken, gezielt zu manipulieren und Entscheidungen über uns zu treffen.

Zum Glück hat die EU ja den Digital Services Act,

(Zuruf von der CDU/CSU: Mit Ihrer Stimme!)

der genau diese Aktivitäten verbietet und unkontrollierte Datennutzung verhindern soll, und die KI-Verordnung, die verhindern soll, dass KI in sensiblen Bereichen missbräuchlich verwendet wird, verabschiedet.

Aber was macht die Bundesregierung?

(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Sie arbeitet!)

Für den Digital Services Act werden 76 Stellen gebraucht, im Haushalt 2025 sind aber nur 48 bewilligt. Die KI-Verordnung und der Data Act müssen noch umgesetzt werden.

(Zuruf der Abg. Ronja Kemmer [CDU/CSU])

Aber dafür sind weder in diesem Haushalt noch in dem für 2026 Mittel vorgesehen. Und über die Bundesnetzagentur, die zuständige Behörde, wurde vom Herrn Staatssekretär letzte Woche im Ausschuss gesagt, dass sie schon genug Stellen hat und es da Einsparpotenziale gäbe,

(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Recht hat er, der Staatssekretär!)

bei einer Behörde, die so viele Aufgaben hat wie noch nie, die dafür zuständig ist, unsere Grundrechte auch digital gegen Konzerne durchzusetzen. Es ist doch einfach eine Frechheit, da kürzen zu wollen!

(Beifall bei der Linken)

Die Nichtdurchsetzung ist fatal und schadet allen, zuallererst den Menschen, die vom Staat erwarten dürfen, dass er sie wirksam vor den Bedrohungen schützt, die digitale Dienste für die Menschenrechte, die Demokratie, den Rechtsstaat und die Gesundheit des Einzelnen darstellen. Die Regulierungen, die nun einmal mit Bürokratie einhergehen, sind schließlich kein Selbstzweck und auch keine Schikane für Unternehmen, sondern der Versuch, die Gefahren digitaler Dienste für Menschen und Gesellschaft auf ein vertretbares Maß zu beschränken. Und wenn Sie das in Ihrem Haushalt nicht ernst nehmen, dann ist er nicht nur unseriös, sondern gefährdet auch Grundrechte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)