Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über 30 Jahren versucht die Europäische Union, ein gemeinsames Asylsystem zu schaffen. 30 Jahre! Und was ist das Ergebnis? Tausende Tote im Mittelmeer, Entrechtung, keine faire Verteilung, kein Ende des Elends. Das Einzige, was funktioniert, ist der Wettbewerb darum, wer die härtesten Gesetze gegen geflüchtete Menschen fordert.
(Beifall bei der Linken)
Und das Ergebnis dieser Politik sehen wir längst: Die Lager auf den griechischen Inseln sind zum Symbol des Scheiterns geworden. Ich habe selbst fast ein Jahr lang auf Chios gearbeitet. Ich habe gesehen, wie Entrechtung aussieht, wie Menschen in solchen Lagern sterben mussten. Ich habe gesehen, wie Menschen dort wie Gefangene gehalten werden. Mit dem GEAS wird diese Entrechtung zum neuen Standard und soll nun auch in Deutschland zur Normalität gemacht werden: Pushbacks – also Zurückweisungen ohne Verfahren –, beschleunigte Asylverfahren ohne effektiven Rechtsschutz, die Inhaftierung Schutzsuchender, ja sogar von Kindern.
Die Bundesregierung behauptet: „Das Recht auf Asyl wird durch die Reform […] nicht eingeschränkt.“ Herr Dobrindt, das klingt zwar beruhigend, ist aber schlicht falsch; denn die GEAS-Reform sieht beschleunigte Asylverfahren direkt an den Grenzen vor, oft unter faktischen Haftbedingungen, mit eingeschränktem Rechtsschutz und kaum Zugang zu Rechtsberatung. Das hat nichts mehr mit Asylrecht zu tun. Das ist autoritärer Legalismus; das ist eine autoritäre Wende.
(Beifall bei der Linken)
Sie sperren Menschen, Sie sperren Kinder ein, die vor Krieg fliehen, obwohl sie nichts gemacht haben, außer einen Asylantrag zu stellen. Das ist verantwortungslos!
(Beifall bei der Linken)
Und das Perfide daran: Die Bundesregierung hätte an vielen Stellen Gestaltungsspielraum. Sie hätte Schutzstandards sichern, faire Verfahren ermöglichen und Rechtsberatung stärken können. Doch sie hat sich bewusst dagegen entschieden. So wird Haft künftig zum Normalfall im Asylverfahren, auch in Deutschland. Was bislang an den Außengrenzen Realität war, wird jetzt in deutsches Recht gegossen. Menschen sollen über Wochen, ja Monate in geschlossenen Einrichtungen festgehalten werden.
Und damit nicht genug: Die Koalition plant zusätzlich neue Aufnahmeeinrichtungen für Sekundärmigration. Herr Dobrindt, Sie sagen: „Sekundärmigration muss unterbunden werden.“ Hinter den Einrichtungen verbirgt sich aber nichts anderes als ein neues System geschlossener Lager. Sogenannte Dublin-Geflüchtete – also Menschen, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden – sollen hier vollkommen isoliert untergebracht werden. Diese Regelungen gehen weit über die GEAS-Vorgaben hinaus und sind von Ihnen politisch so gewollt.
(Beifall bei der Linken)
Damit übernimmt die Bundesregierung eine Politik, die lange das Markenzeichen der AfD war. Abschottung, Haft, Entrechtung – das ist inzwischen Regierungspraxis, getragen von CDU, CSU und SPD. Dieselbe SPD, deren Innenministerin noch im letzten Jahr sagte, das Asylrecht sei nicht verhandelbar; dieselbe SPD, die vor ein paar Monaten den Familiennachzug abgeschafft hat und die hier noch versprochen hat, dass sich so etwas nicht wiederholen darf. Dieselbe SPD bringt jetzt einen Gesetzentwurf mit ein, durch den Kinder in Haft gesteckt werden, nur weil sie einen Asylantrag gestellt haben. Das ist ein neuer Tiefpunkt für die Sozialdemokratie in Deutschland.
(Beifall bei der Linken)
Werfen wir mal einen Blick in den Gesetzentwurf. Gemäß § 70a Absatz 3 Asylgesetz dürfen Kinder inhaftiert werden, wenn dies „ihrem Wohl dient“. Ja, Sie haben richtig gehört: ihrem Wohl dient. Haft kann nie – wirklich nie! – dem Wohl eines Kindes dienen.
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Marcel Emmerich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention, die EU-Grundrechtecharta, und es verstößt ganz einfach gegen den Menschenverstand.
Mich verwundert nicht mehr, dass sich die CDU und die AfD an dieser Stelle kaum noch unterscheiden. Wenn aber die SPD diesen Kurs mitträgt, verrät sie nicht nur ihr eigenes Wort; sie verrät auch sozialdemokratische Werte.
Wer heute diesen Gesetzentwurf unterstützt, übernimmt die Logik der extremen Rechten: Menschenrechte als Hindernis, Schutzsuchende als Gefahr, Abschreckung als Prinzip, Gefängnis als Standardwerkzeug. Und Sie tun so, als wäre das überhaupt kein Problem. Sie bauen eine Fassade auf, auf der steht: Die, die Schutz verdienen, sollen ihn auch bekommen. – Aber nicht mal das stimmt. In Wahrheit errichten Sie ein System, auf dem nur außen etwas draufsteht. In Wirklichkeit wird kaum jemand Schutz erhalten. Sie schaffen ein System, das nach außen rechtsstaatlich wirken soll, aber mit Rechtsstaatlichkeit schlicht nichts mehr zu tun hat, sondern ausschließlich mit Entrechtung.
(Beifall bei der Linken – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijei!)
Ich sage Ihnen: Wer Menschen, die Schutz suchen, einsperrt, wer Kinder inhaftiert, wer Gewalt an den Außengrenzen legitimiert, der bricht nicht nur mit der Genfer Flüchtlingskonvention und grundlegenden Menschenrechten, der bricht mit der Menschlichkeit selbst. Und er holt sich die Gewalt von den Außengrenzen, von der Sie ja immer so schockiert waren, liebe SPD, vor die eigene Haustür. Wer Grenzen schützt statt Menschen, wer Entrechtung zur Normalität macht, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.
(Beifall bei der Linken)
Und noch an Sie, Herr Dobrindt: Sie können hier alles vortragen, Sie können Kinder einsperren, Sie können die schärfsten Regelungen vorlegen.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Links-grüner Populismus ist das, was Sie machen!)
Ich versichere Ihnen: Die AfD wird Sie immer als „links-grün versifft“ bezeichnen, egal welche verschärften Regelungen Sie hier vorschlagen. Also ziehen Sie doch die Reißleine, erkennen Sie endlich, dass man gute Gesetze nur menschenrechtebasiert machen kann, und halten Sie sich an Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte!
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)