Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im letzten Jahr sind über 100 000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen. Viele Beschäftigte bangen um ihren Job: bei den Autobauern, in den Stahlwerken, in der Chemieindustrie. Hinter den Zahlen stecken Menschen; Menschen, die seit Jahrzehnten in ihrem Betrieb arbeiten, dort ihre Ausbildung gemacht haben, Familien ernähren, Kredite abzahlen, die Angst haben, die Miete nicht mehr zahlen zu können und keinen neuen Job zu finden.
Bei Bosch sollen 22 000 Arbeitsplätze wegfallen – der größte Stellenabbau in der Unternehmensgeschichte. Ein Kahlschlag, obwohl Bosch im letzten Jahr immer noch über 3 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat. Das zeigt, meine Damen und Herren, was passiert, wenn man Strukturwandel dem Markt überlässt.
Die Politik hat es versäumt, die Transformation zu gestalten. Stattdessen kommt jetzt der Kahlschlag und Verlagerungen ins Ausland. Die deutsche Industrie hat technische Entwicklungen verpennt, gerade bei der E-Mobilität. Deutsche Autohersteller haben mehr Kreativität in Abgastricks gesteckt als in neue Antriebe – mit freundlicher Unterstützung von Bundesregierungen, die in Brüssel gegen Verbrenner-Aus und Abgaswerte gekämpft haben und bisher nicht einmal einen Industriestrompreis auf den Weg gebracht haben. Eine nachhaltige Industriepolitik muss Qualifizierung fördern, Tarifbindung sichern und Zukunftsjobs schaffen, statt Belegschaften für die Managementfehler zahlen zu lassen. Unsere Solidarität gilt den Beschäftigten in den betroffenen Branchen.
(Beifall bei der Linken)
Die Lufthansa will 4 000 Stellen bis 2030 abbauen, nicht weil der Konzern keine Gewinne macht, sondern um mehr Gewinn zu machen. Im letzten Jahr waren es 1,6 Milliarden Euro, und dieses Jahr wird mit einer deutlichen Steigerung gerechnet. Von wegen Krise! Verkündet wurde der Stellenabbau vor Investoren mit dem Versprechen, das Gewinnziel auf 8 bis 10 Prozent zu erhöhen. 20 bis 40 Prozent des Konzerngewinns sollen als Dividenden an die Aktionäre gehen.
Also, noch mal zum Mitschreiben: Ein Konzern, der in der Pandemie mit Milliarden Steuergeld gerettet wurde, meldet wieder Gewinne, hebt die Renditeziele an und kündigt den Abbau von 4 000 Stellen an. Das ist wirklich eine Sauerei, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der Linken)
Und ja, bei der Kernmarke war der Gewinn 2024 teilweise eingebrochen. Welche Gründe nennt das Management dafür? Streiks, verspätete Flugzeuglieferungen und Pannen an den Drehkreuzen, also alles hausgemachte Probleme. Und die Lufthansa tut gerade alles dafür, dass sie eine neue Streikwelle erlebt. Bodenpersonal, Piloten, Kabine: Alle wehren sich zu Recht gegen die Ausgliederung in Billigtöchter mit geringeren Löhnen. Lufthansa prüft das Outsourcing von Beschäftigten bei den Bodenverkehrsdiensten in eine externe Gesellschaft mit 20 Prozent niedrigeren Löhnen. Das ist eine Sauerei, und dagegen läuft Verdi zu Recht Sturm.
(Beifall bei der Linken)
Mindestens 1 500 der 4 000 Jobs, die abgebaut werden, sollen überhaupt nicht abgebaut werden, weil sie überflüssig sind, sondern sie sollen ins Ausland verlagert werden, weil es dort billiger ist. Es geht hier nicht um Krisenmanagement. Das ist Profitmaximierung auf dem Rücken der Leute, die genau diese Airline durch die Krise getragen haben.
Aber wenigstens zeigt der Chef Bescheidenheit. Die Vergütung von Carsten Spohr ist nämlich seit 2023 auf 11 Millionen Euro pro Jahr gedeckelt. Wie demütig von ihm! Zum Vergleich: Für 11 Millionen Euro müsste ein Beschäftigter bei den Bodenverkehrsdiensten über 250 Jahre arbeiten. Das kann doch nicht leistungsgerecht sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Übrigens: Air France-KLM ist bis heute zu wesentlichen Teilen in öffentlicher Hand, so wie die Lufthansa bis in die 90er-Jahre. Mittlerweile gehören aber 15 Prozent der Lufthansa dem Milliardär Kühne. Die Regierungen von Frankreich und Niederlande nehmen Einfluss auf die Geschäftspolitik. Air France-KLM schüttet keine Dividenden aus, aber Lufthansa verspricht den Aktionären nachhaltig attraktive Renditen. Immerhin scheint das Management das Wort „nachhaltig“ zu kennen, aber leider nicht zu verstehen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linken)
Wir brauchen eine Luftverkehrspolitik, die dem öffentlichen Interesse und den Klimazielen verpflichtet ist und nicht Aktionären und Milliardären.
(Beifall bei der Linken)
Was sagen eigentlich die Wirtschaftsministerin oder der Bundeskanzler? Sie reden dauernd davon, Menschen in Arbeit zu bringen. Aber wenn Zehntausende Menschen ihre Jobs verlieren, dann hört man gar nichts von ihnen. Ich sage Ihnen: Ja, das deutsche Wirtschaftsmodell steckt in der Krise.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Nein! Nicht das Modell! Das Modell ist super! Soziale Marktwirtschaft ist super! Da müssen Sie sich mal mit beschäftigen!)
Wirtschaftsministerin Reiche sagte ja selber, für die leichte konjunkturelle Belebung sei das Sondervermögen verantwortlich. Ja, öffentliche Investitionen sind verantwortlich für Wachstum. Dann brauchen wir doch mehr öffentliche Investitionen und nicht weniger.
(Beifall bei der Linken)
Und dann sagt Frau Reiche, sie wolle die Binnennachfrage stärken angesichts der Exportschwäche. Ja, wie stärkt man denn die Binnennachfrage? Höhere Löhne, höhere Renten, höhere Sozialleistungen.
(Zuruf von der AfD: Und wer bezahlt es?)
Aber was Sie vorschlagen, ist doch das Gegenteil. Sie würgen doch die Binnennachfrage ab.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Wie steigen die Löhne? Sagen Sie das doch mal!)
Dann erzählen Sie doch nicht, dass Sie die noch steigern wollen.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, diese Krise der Wirtschaft ist auch eine Krise des alten Denkens. Wir brauchen wirklich eine Wirtschaftswende: Nicht weniger Staat, nicht weniger Lohn, nicht weniger Schutz, sondern sichere Arbeit, soziale Gerechtigkeit, verlässliche Infrastruktur – eine Wirtschaft, die den Menschen dient, und nicht umgekehrt.
(Beifall bei der Linken)