Gesine Lötzsch in der Aktuellen Stunde "Fehlende Strategien der Bundesregierung in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Konsequenzen aus den Steuervergehen durch Finanztransfers ins Ausland"
Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Steuerhinterziehung gehören immer zwei: derjenige, der die Steuern hinterzieht, und derjenige, der zulässt, dass Steuern hinterzogen werden. Ich sage Ihnen: Der Bundesfinanzminister und seine Kollegen in den Ländern tragen die politische Verantwortung dafür, dass in diesem Land Steuern hinterzogen werden können.(Beifall bei der LINKEN - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sagen Sie uns doch mal, wo das SED-Vermögen ist!)
Es wäre kein Problem, die grassierende Steuerflucht zu beenden, wenn die Finanzminister es wirklich wollten. Doch das wollen sie gar nicht. Ein aktuelles Beispiel: Der Bundesrechnungshof, also nicht unsere Fraktion,
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar keine Fraktion!)
forderte den Finanzminister auf, erstens bei Einkünften von mehr als 500 000 Euro eine Pflicht zur Aufbewahrung privater Belege durchzusetzen und zweitens die Pflicht zur Begründung von Außenprüfungen bei Einkommensmillionären aufzuheben. Wir finden, das sind gute Vorschläge. Doch der Finanzminister hat diese Vorschläge mit der Begründung zurückgewiesen, die Bundesregierung wolle die Bürokratie abbauen.
(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist schon erstaunlich: Wenn es um die Überwachung von Arbeitslosengeldempfängern geht, dann scheut die Bundesregierung keine noch so hohen bürokratischen Hürden und keinen Aufwand, um herauszubekommen, ob ein Arbeitsloser vielleicht 10 Euro zu viel bekommen hat. Ich nenne Ihnen eine Zahl: Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Sanktionen gegen Arbeitslose um 58 Prozent. Allein im September 2007 wurden 138 700 Sanktionen gegen Arbeitslose ausgesprochen. Welch ein bürokratischer Aufwand und welch ein Widerspruch!
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn es um Sanktionen gegen Einkommensmillionäre geht, dann fürchtet der Finanzminister allerdings plötzlich die anwachsende Bürokratie.
Egal welches Politikfeld man betrachtet - ob die Steuer- oder die Arbeitsmarktpolitik -, muss man feststellen: Die Bundesregierung denkt in klaren Strukturen. Die, die nichts haben, werden schikaniert und gedemütigt, und die, die im Geld schon fast ersticken, den Hals nicht voll bekommen und Tag und Nacht darüber nachdenken, wie sie das Geld am Finanzamt vorbei ins Ausland schmuggeln können, werden von der Bundesregierung gehätschelt und, solange sie nicht erwischt werden, als leuchtende Vorbilder mit Preisen und Ehrungen überhäuft. Das ist wirklich eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Untätigkeit der Finanzminister hinsichtlich der Prüfung von Einkommensmillionären ist eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Damit muss Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist doch geradezu unglaublich, dass sich der Finanzminister dafür feiern lässt, dass er 5 Millionen Euro an einen Informanten gezahlt hat, um an die Informationen zu kommen. Hätte er seinen Job als Finanzminister ordentlich gemacht, dann müsste er erstens nicht auf die Arbeit von Geheimdiensten zurückgreifen und zweitens nicht 5 Millionen Euro an Steuergeldern ausgeben.
Bei der Steuerprüfung 2006 wurden aufgrund der Prüfung von Steuerpflichtigen mit bedeutenden Einkommen pro Fall zusätzlich knapp 150 000 Euro eingenommen. Bei diesen Ergebnissen fragt sich doch jeder, warum es so wenige Prüfer gibt. Warum wurde zum Beispiel Herr Zumwinkel nicht geprüft? Sie müssen es sich einmal vorstellen: Dieser Multimillionär hatte noch nicht einmal seinen Sparerfreibetrag ausgeschöpft. Das roch doch schon förmlich nach Steuerhinterziehung. Doch dort wurde nicht geprüft.
(Otto Bernhardt [CDU/CSU]: Also bitte!)
Man hat also den BND zurate gezogen und zusätzliche 5 Millionen Euro an Steuergeldern ausgezahlt. Dabei hätte doch jeder Prüfer, der es hätte sehen wollen, sehen können, was da lief. Warum gibt es also so wenige Prüfer?
(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Stuss! - Zuruf von der CDU/CSU): Steuergeheimnis!)
- Sie verteidigen solche Herrschaften. Das haben wir ja gerade gehört. Herr Kollege, durch Ihren Zwischenruf haben Sie das sehr deutlich gemacht.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Lötzsch, das geht zu weit!)
Die Antwort ist ganz einfach: Die Einkommensmillionäre gelten bei CDU und SPD als die Elite der Gesellschaft. Die möchten Sie natürlich auf keinen Fall verschrecken.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt noch ein Satz zu den SED-Millionen! Dann ist der Tag perfekt!)
Es ist deutlich: Die politische Verantwortung für die Verhinderung von Steuerhinterziehung liegt hier in diesem Hause. Hier in diesem Hause müssen die entsprechenden Beschlüsse gefasst werden. Wenn wir uns darauf verständigen, endlich einmal die Steuerhinterzieher in die Verantwortung zu nehmen und die Anzahl der Prüfer deutlich zu erhöhen, dann hätten wir auch mehr Geld im Staatssäckel
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das SED-Geld haben Sie auch noch nicht aus dem Schrank geholt!)
und dann könnte sich auch die verehrte Kollegin Künast aus Berlin ihre unqualifizierten Zwischenrufe sparen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)