Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ausnahme der letzten Sätze von Herrn Mißfelder kann ich vieles von dem, was Sie bis jetzt gesagt haben, voll und ganz unterstützen.
(Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Na also! Es geht doch!)
Ja.
Der junge Staat Südsudan braucht unsere Unterstützung, um die unglaublichen Probleme, vor denen er jetzt steht, zu lösen. Es fehlt an fast allem: Es fehlt an wirtschaftlicher Entwicklung, an Schulen, an Krankenhäusern, an Straßen und vor allem natürlich an einem funktionierenden demokratischen Staatsapparat. Das Einzige, das im Moment im Überfluss vorhanden ist, sind Waffen und Gewalt. Das Problem ist nur: Wir stimmen heute gar nicht darüber ab, wie diese Probleme gelöst werden können. Einzig und allein zur Abstimmung steht heute die Frage, ob deutsche Soldaten in den Südsudan geschickt werden sollen. Dies lehne ich allerdings ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Mißfelder, in der heutigen Abstimmung geht es auch nicht um all die Konflikte, die Sie geschildert haben, ob in Abyei, Süd-Kurdufan oder Blue Nile. Sie sollten sich noch einmal genau anschauen, was heute das Thema ist.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Ach, das weiß er doch!)
Die entscheidende Frage ist doch: Was braucht der Südsudan im Moment wirklich? Wie kann er von deutscher Seite unterstützt werden? Wir haben im Juli eine lange Liste von Vorschlägen gemacht; Sie können sie nachlesen. Ich will nur drei dieser Vorschläge vortragen.
Erstens. Die zivile Konfliktbearbeitung muss ausgebaut werden. Wir waren im November letzten Jahres vor Ort. Wir haben dort viele hervorragende Projekte im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung besucht. Das funktioniert.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Nein! Das ist totaler Quatsch!)
Die zivilen Konfliktbearbeiter können den Ausbruch von Gewalt wirklich verhindern, indem sie die Konflikte schon vorher lösen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Ja, ja! Das können sie aber nur, weil sie militärisch unterstützt werden!)
Solche Projekte haben Sie, Herr Westerwelle, eingestellt, anstatt sie auszubauen und zu unterstützen. Sie können doch im Südsudan die Fachkräfte, die es dort jetzt gibt, unterstützen, und Sie können neue Fachkräfte ausbilden. Anstatt nur 5 zivile Konfliktbearbeiter aus Deutschland dorthin zu schicken, wie im letzten Jahr, können Sie 50 oder 500 zivile Konfliktbearbeiter dorthin schicken und keine Soldaten.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Natürlich ist die Entmilitarisierung des Südsudans eine der wichtigsten Aufgaben. 300 000 Männer und Frauen des Sicherheitsapparats sind dort unter Waffen, und auch fast alle Menschen in der Zivilbevölkerung verfügen über eine Waffe. Auch hier können wir einen Beitrag zu einer Lösung leisten, indem wir zum Beispiel den Dialog und die Versöhnung in der Gesellschaft unterstützen, und wir können mehr dafür tun, dass die ehemaligen Soldaten und Kämpfer eine echte zivile Alternative bekommen. Das ist Demilitarisierung und Reintegration.
(Beifall bei der LINKEN)
Dafür brauchen wir drittens im ganzen Land eine wirtschaftliche Entwicklung. Das Land ist unglaublich fruchtbar; Herr Strässer hat das gesagt. Trotzdem kann es bis heute seine Bevölkerung nicht selbst ernähren. Diese Entwicklung, der Aufbau der Landwirtschaft in der Fläche und der Aufbau von anderen Verdienstmöglichkeiten in der Fläche, ist das Gebot der Stunde.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben noch sehr viele weitere Vorschläge. Das alles können Sie in unserem Antrag nachlesen. Für jede gute Idee zur zivilen Unterstützung des Südsudans können Sie immer mit unserer Zustimmung rechnen, für einen Militäreinsatz im Südsudan aber nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum nicht: Die UNO-Truppen im Südsudan das ist Ihr Mandat sollen die Zivilbevölkerung schützen, und das an der Seite der südsudanesischen Armee. Genau da liegt das Problem. Sie alle, die Sie sich damit befasst haben, wissen ganz genau, dass die südsudanesische Armee ein großer Teil des Problems und eben nicht ein Teil der Lösung ist. Die Soldaten der südsudanesischen Armee verletzen die Gesetze willkürlich, sie rauben, sie plündern, sie morden, und sie haben in den letzten Wochen sehr viele zivile Tote zu verantworten. An die Seite einer solchen Armee wollen Sie deutsche Soldaten schicken? Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein!
(Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das ist unglaublich!)
Das ist doch so, als ob Sie einem deutschen Polizisten jemanden an die Seite stellen und sagen: Pass auf, der ist gewalttätig, der raubt und der mordet, aber jetzt geh mal mit ihm auf Streife und sorge für Sicherheit in der Stadt. Das ist doch völlig absurd.
(Beifall bei der LINKEN - Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das ist unglaublich, was Sie da sagen!)
Aber nicht nur die südsudanesische Armee ist ein Teil des Problems. Sie wissen genauso das haben Sie eben auch gesagt , dass auch die südsudanesische Regierung ein Teil des Problems ist. Sie wird immer undemokratischer und korrupter.
(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Wegen solcher Ansichten sterben Menschen!)
An die Seite einer solchen Regierung wollen Sie deutsche Soldaten schicken?
(Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Ich bin der Meinung, hier machen Sie einen ganz großen Fehler.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss.
Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Ströbele hat sich gemeldet.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ja, aber die Redezeit ist abgelaufen.
(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Ja, die Redezeit ist vorbei!)
Jan van Aken (DIE LINKE): Gut. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, nirgendwohin, und ich finde, wir sollten bei dieser Gelegenheit einmal überlegen, wie wir all die vielen Millionen Waffen im Sudan und überall sonst auf der Welt wieder einsammeln können. Das wäre doch einmal ein echter Beitrag zu einer friedlichen Entwicklung und das nicht nur im Südsudan.
(Beifall bei der LINKEN Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Sie nehmen mit dieser Politik Tote in Kauf und lachen sich dabei noch tot!)