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Deutschland muss endlich mit den arabischen Despoten brechen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Jan van Aken,

Mubarak muss weg. Das fordern Menschen in Ägypten, das fordern auch wir!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mubarak muss weg! Das fordert das ägyptische Volk. Das fordern auch wir. Ich frage mich allerdings, warum ich das eigentlich nicht von Ihnen hier im Deutschen Bundestag höre.


(Beifall bei der LINKEN)

Seit zwei Wochen wird in Ägypten demonstriert. Millionen von Menschen gehen auf die Straße. Obwohl bereits 300 von ihnen getötet worden sind, gehen sie Tag für Tag mit einem unglaublichen Mut auf die Straße. Ich finde es bewundernswert. Ich muss an dieser Stelle sagen: All unsere Hoffnung und all unsere Wünsche sind bei den Menschen, die heute wieder auf dem Tahrir-Platz in Kairo und anderswo demonstrieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihna wa’fin hadkum wa natlub maakum ad-dimuqratiyya wa l-hurriyya. Wir stehen an eurer Seite und fordern mit euch Demokratie und Freiheit.
(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt aber etwas, was uns in den letzten Tagen immer mehr aus Ägypten erreicht: Das ist die Angst der Menschen - trotz des Mutes, der sie jeden Tag wieder auf die Straße treibt , von uns verraten zu werden. Die Menschen in Ägypten wissen, dass die Bundesregierung und der Westen Mubarak und sein Regime 30 Jahre unterstützt haben.


(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sie haben die Bürgerrechtler verraten und schwätzen hier so etwas daher! Das ist eine Frechheit!)

Sie wissen auch, dass sie Mubarak und sein Regime niemals loswerden, wenn der Westen Mubarak oder Suleiman - das ist aus ägyptischer Sicht ein und dieselbe Soße - weiter unterstützt.
Es gibt etwas, was mir persönlich wirklich Angst macht. Meine arabischen Freunde sagen mir, dass in diesen Tagen in der arabischen Jugend ein Satz, der über Facebook und Twitter millionenfach im Internet verbreitet wird, die Runde macht. Der Satz lautet: Wir hassen euch nicht für eure Freiheit, sondern dafür, dass ihr uns die Freiheit verwehrt.
Darüber muss man einmal nachdenken. Der erste Teil des Satzes ist doch ganz interessant: Wir hassen euch nicht für eure Freiheit. Das sind eben keine Westen-Hasser. Das sind keine religiösen Fundamentalisten, die auf die Straße gehen. Das ist die junge Generation, die für ihre Freiheitsrechte einsteht und die Pressefreiheit, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze fordert. Das alles sind Werte, die sie auch bei uns in Deutschland und im Westen bewundern. Sie schauen nicht mit Hass auf den Westen.

Aber der zweite Teil des Satzes müsste uns wirklich zu denken geben: Wir hassen euch dafür, dass ihr uns die Freiheit verwehrt. Die jungen Menschen sehen nämlich, dass weder Frau Merkel noch Herr Westerwelle noch Hillary Clinton oder irgendwer im Westen es fertigbringt, zu sagen: Mubarak muss weg! Suleiman muss weg! Die ganze Folterclique der letzten 30 Jahre muss weg! Erst dann haben sie die Chance auf Freiheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher, Herr Westerwelle, müssen Sie sich wirklich entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen. Stehen Sie auf der Seite der Demokratie und auf der Seite der Demonstranten? Oder stehen Sie auf der Seite des Despoten? Lassen Sie das ägyptische Volk jetzt nicht allein, und lassen Sie endlich Mubarak, Suleiman und alle anderen fallen. Das haben Sie bis heute nicht gemacht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da haben Sie als Nachfolgepartei der SED allen Grund, wenn man sieht, was Sie bei der Revolution in Deutschland angerichtet haben! Gegenruf von der LINKEN: Das hat damit gar nichts zu tun!)

Natürlich da stimme ich mit Ihnen, Herr Westerwelle, überein hat kein Mensch in Deutschland, kein Mensch im Western darüber mitzubestimmen, (Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): In Deutschland haben wir uns jedenfalls gegen euch durchgesetzt!) wann Wahlen in Ägypten stattfinden, ob es Mussa oder al-Baradei wird. Wir haben dafür zu sorgen, dass das ägyptische Volk die Freiheit bekommt, zu entscheiden, wer dort regiert.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Hätten Sie mal in der DDR für Freiheit gesorgt!)

Sie machen allerdings genau das Gegenteil von dem, was Sie hier gesagt haben. Sie haben hier behauptet, dass Sie auf der Seite der Demokratie sind. In Wahrheit sind Sie jedoch auf der Seite von Suleiman, dem Vizepräsidenten und Geheimdienstchef. Der hat genauso viel Blut an den Händen kleben wie Mubarak. Trotzdem bezeichnen Sie Suleiman als Ihren Partner. (Volker Kauder (CDU/CSU): Das hat kein Mensch gesagt!)
Damit sind Sie nicht auf der Seite der Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN Zurufe von der LINKEN: Diktatorenfreunde!)

Mit Ihrer Unterstützung für Suleiman machen Sie tatsächlich Brandstifter zu Feuerwehrmännern und lassen das ägyptische Volk und die Demonstranten alleine.
Ich will noch ein Wort zum etwaigen Klinikaufenthalt von Mubarak sagen. Ich bin absolut dafür, dass Menschen nach Deutschland kommen können und hier medizinisch behandelt werden. Das gilt auch für Mubarak. Dabei muss aber Folgendes gelten: In dem Moment, wo die medizinische Behandlung abgeschlossen ist, muss er noch im Krankenhaus wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das darf man nie vergessen wegen Diebstahls verhaftet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mubarak und seine Familie haben Milliarden Euro beiseitegeschafft. Sie lagern auch hier in Deutschland und in Europa bei den Banken. Ich bin dafür, dass Sie dieses Geld einfrieren und es dem ägyptischen Volk zurückgeben.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder (CDU/CSU): Wo sind eure SED-Milliarden?)

Herr Mützenich, ich muss es einmal sagen: Den Tanz mit dem Teufel haben nicht nur die CDU/CSU und die FDP gemacht, den Tanz mit dem Teufel hat auch die SPD gemacht. Es gab ein Treffen zwischen dem Außenminister Steinmeier und Mubarak, bei dem Herr Steinmeier von der SPD Mubarak polizeiliche Hilfe zugesichert hat. Er hat ihm sogar das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen technische Hilfsmittel für den Polizeiaufbau zugesagt. Ich möchte mir nicht vorstellen, was in den Folterknästen Ägyptens mit technischen Hilfsmitteln aus Deutschland für die Polizei angestellt wird. Hier haben Sie sich genauso schuldig gemacht, und ich kann auch von Ihnen das erwarten, was die Grünen gemacht haben, nämlich dass auch Sie sich einmal kritisch mit Ihrer eigenen Vergangenheit im Außenministerium auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht nur um Waffen für die Polizei, und es geht nicht nur um Wasserwerfer. Apropos Wasserwerfer: Sie können sich das entsprechende Video im Internet anschauen. Sie sehen dort einen Wasserwerfer aus deutscher Produktion, mit dem in diesen Tagen in Kairo Demonstranten von der Straße gepustet werden.
Es geht auch um ganz andere Waffen. Deutschland hat in den letzten zehn Jahren Waffen im Wert von sage und schreibe 276 Millionen Euro nach Ägypten geliefert. Herr Kauder, Sie können nicht sagen: Das hat doch niemand gewusst. - Sie wussten, dass Waffen im Wert von 276 Millionen Euro nach Ägypten geliefert wurden, und Sie wussten von all den Menschenrechtsverletzungen und Folterungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotzdem haben Sie die Waffen geliefert. Darunter waren zum Beispiel 606 Maschinengewehre und 1726 Maschinenpistolen. Das haben Sie zu verantworten, und Sie wussten alles vorher.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ich persönlich wusste das nicht!)

Wer Waffen an Diktatoren liefert, der macht sich mitschuldig an Folterung, an Unterdrückung und an Zensur.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit diesen Waffenlieferungen haben Sie sich schuldig gemacht. Sie haben sie mit beschlossen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportieren sollte, nirgendwohin, vor allen Dingen aber nicht an diejenigen Länder des Nahen und Mittleren Ostens, von denen wir heute schon wissen, dass es dort Menschenrechtsverletzungen gibt. Heute wissen wir das von Ägypten. Letzten Freitag haben Sie die Waffenlieferungen nach Ägypten eingestellt. Das ist auch gut so. Was ist aber mit Algerien? Was ist mit Jordanien?
(Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Saudi-Arabien!)
Was ist mit Saudi-Arabien?
(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sollen wir der afghanischen Armee Waffen geben oder nicht?)
Soll ich Ihnen einmal kurz vorlesen, was Amnesty International zu Jordanien geschrieben hat, wo in diesen Tagen ebenfalls die ersten Demonstrationen stattfinden?
(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sollen wir der afghanischen Armee Waffen geben oder nicht?)
Amnesty International schreibt dazu:
Es trafen erneut Berichte über Folter und Misshandlungen in Jordanien
ein. Mindestens zwei Männer starben ... an den Folgen von Schlägen, die ihnen Polizisten zugefügt hatten. Tausende Personen befanden sich ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft.
An diese Verbrecher liefern Sie weiter ungeniert Waffen: 2 496 Maschinenpistolen und 303 Gewehre in den letzten fünf Jahren. Hören Sie doch endlich damit auf, die Unterdrücker mit den Waffen auszurüsten, die sie für ihre Unterdrückung brauchen!

(Beifall bei der LINKEN)


Herr Kauder, wenn in vier Wochen die Revolution und der Volksaufstand Jordanien erreicht haben, können Sie nicht sagen: Wir haben das alles nicht gewusst. Sie wissen es heute, und Sie können heute die Konsequenzen ziehen. Deswegen bin ich dafür, dass ab sofort alle Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten eingestellt werden.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)