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Foto: Rico Prauss

Deutschlands und Europas Mitverantwortung für den Völkermord in Ruanda ist erheblich

von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Botschafter! Es ist richtig und wichtig, dass wir uns hier und heute mit dem Völkermord in Ruanda beschäftigen. Wir alle gedenken der mehr als 800 000 Toten, darunter viele Frauen, viele Kinder. Und es ist richtig, dass diese Debatte mit Anstand geführt wird. Deswegen will ich meiner Kollegin Julia Klöckner nur beipflichten, was sie zum Vorredner gesagt hat.

Es ist aber genauso unsere Pflicht, die richtigen Lehren aus diesen Ereignissen zu ziehen. Dazu gehört auch, die Rolle Deutschlands im Vorfeld des Genozids unabhängig aufzuarbeiten. Dazu zählen unter anderem die damaligen Fehleinschätzungen deutscher Diplomaten, die Warnzeichen, die nicht wahrgenommen worden sind. Unser ehemaliger Kollege Stefan Liebich forderte an dieser Stelle schon vor zehn Jahren, dass das aufgearbeitet wird. Es ist aber seitdem, trotz der Darlegungen der Außenministerin, sehr wenig passiert.

Die Bundesregierung stellt jetzt pauschal fest, dass man Lehren aus den Versäumnissen gezogen hat; die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Die grausamen Kriege im Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo, vor wenigen Jahren in Äthiopien, die aktuelle Situation in Haiti sprechen eine andere Sprache.

Meine Damen und Herren, Deutschlands und Europas Mitverantwortung –Mitverantwortung, Herr Braun – für den Völkermord in Ruanda ist erheblich. Bei der sogenannten Berliner Afrika-Konferenz wurden 1884/1885 mit dem Lineal über die Köpfe der dort lebenden Bevölkerung Grenzen gezogen. Deutschland, später Belgien legten – eben auch schon dargelegt – während ihrer Kolonialherrschaft die Unterschiede zwischen Hutu und Tutsi erst fest. Dass Ruanda überhaupt Teil der deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika war, ist nahezu unbekannt in unserem Land und zeigt die Notwendigkeit der Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus. Außerdem zeigte sich Deutschland während Ruandas dunkelster Stunde handlungsunfähig, wie die gesamte Weltgemeinschaft.

Heute ist die gesamte Situation angesichts der Lage im Ostkongo gar nicht so unterschiedlich. Deutschland sollte statt nach militärischer Stärke nach einer Führungsrolle in der zivilen Konfliktprävention – ähnlich wie Norwegen – streben. Was Ruanda und Afrika überhaupt nicht brauchen können, ist die Auslagerung europäischer Probleme auf ihr Territorium, –

– wie es Großbritannien mit den Asylzentren in Ruanda vorhat. Ich hoffe, dass die Bundesregierung diesem Ansatz sehr kritisch gegenübersteht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken)