Aktuelle Stunde des Deutschen Bundestages zum israelischen Angriff auf die Free-Gaza-Flottille
- es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Ich bin heilfroh das muss ich zunächst einmal sagen , dass unsere Kolleginnen und unsere Freunde, die auf den Hilfsschiffen für Gaza waren, wieder heil zurück in Deutschland sind. Am Montag sind neun Menschen erschossen worden. Unser Mitgefühl gehört ihren Angehörigen und Freunden.
Der Angriff auf die Schiffe war ein Verbrechen. Ein griechischer Aktivist, der sich auf einem der Schiffe befand, hat das sehr treffend und auch sehr einfach gesagt: Dieses Meer ist frei. Seit 4 000 Jahren fahren wir auf diesem Meer. Es ist ein Verbrechen, auf einem freien Meer auf hoher See Schiffe zu entern, Menschen zu erschießen, zu verletzen und zu entführen. - Weil das eine Freiheitsberaubung und ein Kriegsverbrechen ist, haben wir auch hier in Deutschland Strafanzeige gestellt.
Ich möchte heute aber vor allem nach vorne schauen und fragen: Was können wir jetzt tun, um das unendliche Leid in Gaza zu beenden? Die Hilfsflotte hatte von vornherein zwei Ziele. Einmal ging es um ganz praktische Hilfe. Es ging darum, dringend benötigte Güter Zement, Rollstühle, Medikamente und Dachziegel nach Gaza zu bringen. An all dem mangelt es dort, weil Israel seit Jahren rechtswidrig den Gazastreifen einschnürt, abriegelt und kaum noch etwas durchlässt.
Die Hilfsflotte war aber auch eine politische Aktion. Die Welt sollte an das Leid in Gaza, an die menschliche Tragödie, erinnert werden. Das ist ja eine der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit. Die Hilfsflotte wollte auf die illegale Blockade des Gazastreifens aufmerksam machen. Israel blockiert fast alles - nicht nur Waffen und Raketen, sondern auch Baumaterial für Schulen und Häuser, lebensnotwendige Medikamente und selbst das tägliche Brot.
60 Prozent der Menschen in Gaza können sich nicht mehr selbst ernähren. Wenn sie Glück haben, dann bekommen sie Lebensmittelhilfe von den Vereinten Nationen. Wenn sie kein Glück haben, dann müssen sie hungern. Die Vereinten Nationen berichten, dass unter den Kindern in Gaza Mangelernährung und Wachstumsstörungen weiter zunehmen. Zwei von drei Neugeborenen sind schon unterernährt und leiden an Blutarmut.
Die Landwirtschaft in Gaza liegt völlig am Boden. Es gibt nicht genügend Saatgut, keine Bewässerungsanlagen und kaum noch Land. Denn fast die Hälfte des fruchtbaren Bodens kann zum Beispiel deshalb nicht mehr beackert werden, weil er zur Schutzzone erklärt wurde. Kein Bauer darf mehr auf das Land. Niemand darf säen und ernten. Und am Ende hungern die Kinder von Gaza. Das muss doch endlich ein Ende haben.
Genauso ist es mit der Fischerei. Man muss sich das einmal vorstellen: Ein Land mit einem so langen Küstenstreifen am Mittelmeer muss jetzt illegal Fisch importieren, der durch die Tunnel aus Ägypten kommt. Die eigenen Fischer dürfen nur noch drei Meilen weit hinausfahren. Die guten Fanggründe sind viel weiter draußen.
Die Lage in Gaza ist verzweifelt. Es liegt auch an uns, das jetzt zu beenden. Ich freue mich, dass alle Parteien im Bundestag hier einer Meinung sind. Aber jetzt müssen wir auch etwas daraus machen. Die Bundesregierung muss auch einmal die israelische Regierung drängen, endlich die Blockade vollständig aufzuheben und Transporte durchzulassen.
Im Moment ist die Regierung Netanjahu doch auf einer Art Kamikaze-Kurs. Die Blockade von Gaza stärkt nur die Extremisten und die Feinde Israels. Der Angriff auf die Schiffe hat Israel weltweit vollständig isoliert. Bei dem Versuch, Gaza zu erdrosseln, schnürt sich Israel im Moment selbst die Luft ab.
Jetzt müssen wir gemeinsam mit unseren Nachbarn bzw. mit der EU solange Druck auf Israel ausüben, bis die Blockade endlich beendet wird, bis endlich die anderthalb Millionen Menschen in Gaza wieder in Würde leben können, sich frei bewegen können und auch selbst wirtschaften können.
Dazu gehört natürlich auch eine Idee, wie man dann die Sicherheit Israels garantieren kann. Niemand möchte, dass nach der Aufhebung der Blockade mit den Transporten auch Waffen und Raketen nach Israel kommen. Die Lösung ist ganz einfach. Das können doch Kontrollen durch die Vereinten Nationen sein: Inspektionen auf jedem Schiff, das Gaza anläuft, durch unabhängige Kontrolleure. Dadurch kann verhindert werden, dass Waffen nach Gaza gelangen.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, auch nicht in den Nahen Osten.
Deutschland verkauft Fuchs-Panzer in die Vereinigten Arabischen Emirate, Sturmgewehre nach Saudi Arabien und Kriegsschiffe nach Israel. Wie wollen Sie denn Frieden im Nahen Osten schaffen, wenn Sie immer wieder neue Waffen in die Region schicken? Wir sind dafür, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportiert - und schon gar nicht in den Nahen Osten.
Ich danke Ihnen.