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Dieser Haushalt ist ein Verrat an den Menschen

Rede von Ines Schwerdtner,

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Liebe Schulklassen! In meine Sozialsprechstunde kommen sehr viele Mütter – Mütter, die neben ihrer Arbeit als Pflegerin nach einer anderen Ausbildung suchen, weil der Job zu hart ist und man ihn nicht sein Leben lang machen kann; Mütter, die selbst aufs Essen verzichten, damit ihre Kinder genug haben; Mütter, die aufstocken müssen und sich auf dem Amt schämen.

Sie, Herr Linnemann, Herr Merz, Herr Spahn, Frau Reiche und wie Sie alle heißen, Sie schaffen es in wenigen Wochen, das Land zu überziehen mit Attacken auf Rentnerinnen und Rentner. Sie bringen es fertig, den öffentlichen Diskurs mit Lügen zu überfluten und so zu tun, als seien die Ärmsten das Problem für diesen Haushalt. Sie fordern hier in diesem Haus Respekt ein, aber Sie treten bewusst nach unten. Schämen Sie sich!

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Julia Schneider [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum Haushalt. Es gibt ein Muster, das diesen Haushalt hier durchzieht: Noch nie hat eine Regierung so viel Geld ausgegeben, und noch nie ist so wenig bei den Menschen angekommen. Der Haushalt umfasst 503 Milliarden Euro, aber: kaum Entlastung für Familien, kaum Entlastung für Mieter. Sie entlasten die Industrie beim Strom, aber für die Familien hat es leider nicht mehr gereicht.

Sie tricksen sich durch den gesamten Haushalt, Herr Klingbeil. Wir werden am Ende sehen, wie viel von dem Investitionsbooster übrig bleibt, vermutlich nur heiße Luft. Denn wissen Sie, wo das Geld landet? Bei Ihren Freunden in den Chefetagen! Fast 50 Milliarden Euro als Steuergeschenke für Unternehmer, einfach so – ohne irgendeinen Hinweis darauf, dass das die Wirtschaft ankurbelt. Sie tricksen, statt zu investieren. Sondervermögen und Rekordsummen auf dem Papier sind leere Hüllen, wenn sie keine Wirkung im Alltag entfalten. Investitionen müssen zusätzlich sein, sie dürfen nicht Haushaltslöcher stopfen. Hören Sie auf mit der Trickserei!

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Schlimmste aber ist: Die Menschen merken von diesem Rekordhaushalt gar nichts. Bei den Kommunen kommt von dem Geld am Ende sehr wenig an. Vor Ort entstehen keine neuen Wohnungen. Es gibt keine zusätzlichen Buslinien, keine Pflegeplätze. Die Folgen sehen wir besonders deutlich in den Regionen, die ohnehin unter Druck stehen. Schauen Sie einmal nach Ostdeutschland! Schauen Sie einmal ins Ruhrgebiet! Dort schließen Betriebe. Ganze Regionen verlieren ihre Grundlage. Tausende Arbeitsplätze verschwinden. Was meinen Sie, warum Gelsenkirchen blau wird? Nicht weil die von der AfD so gute Arbeit machen und sich um die Menschen kümmern,

(Jörn König [AfD]: Natürlich! Genau deshalb!)

sondern weil Sie schlechte Arbeit machen!

(Beifall bei der Linken)

Es gibt aber eine Industrie, die von Ihrem Kurs profitiert – genau eine –: Rheinmetall schreibt Rekordgewinne, volle Auftragsbücher bei Ihren Freunden für Panzer. Die Verteidigungsausgaben steigen im Kernhaushalt auf 62 Milliarden Euro. Hinzu kommen 24 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Ganze 86 Milliarden Euro für militärische Ausgaben! Und es werden mit jedem Jahr mehr. Im Haushaltsausschuss haben wir gerade erlebt, wie über Nacht Sonderregelungen für Aufrüstung geschaffen werden; es geht also.

Ich sehe aber keine Sonderregelungen für Krankenhäuser, für Schulen, für Busse.

(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])

Sie geben insgesamt 503 Milliarden Euro aus, aber Sie haben gerade einmal 4 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. Das ist das Ungleichgewicht, das Sie den Menschen nicht erklären können, und genau deshalb weichen Sie aus. Sie reden darüber, wo man den Ärmsten noch 10 Euro streichen kann, als würde das den Haushalt retten. Ich bin ehrlich: Ich kann diese Pseudodiskussionen nicht mehr ertragen. Ihr „Herbst der Reformen“, von dem Sie gerade gesprochen haben, Herr Middelberg, ist in Wahrheit ein massiver Angriff auf den Sozialstaat.

(Beifall bei der Linken)

Wollen Sie wirklich um jeden Centbetrag streiten, statt endlich eine Vermögensteuer einzuführen, die 100 Milliarden Euro jährlich einbringen würde? Die Menschen verstehen das nämlich ganz genau. Sie sehen, dass oben immer mehr verteilt wird und unten immer mehr genommen wird. Und sie sind zu Recht wütend. Entlastung heißt nicht, einen Euro hin- und herzuschieben, sondern weniger Angst am Monatsende, weniger Druck bei der Miete und weniger Stress an der Supermarktkasse.

Ich kann bei Ihnen nicht mal mehr von Inkompetenz sprechen; denn es ist reiner Wille. Es ist kein Naturgesetz, dass Rentnerinnen nach einem Leben voller Arbeit aus ihrer Wohnung rausmüssen. Es ist Ihre Entscheidung. Und es ist keine höhere Macht, die Familien zwingt, sich zwischen Heizen und Essen zu entscheiden. Es ist Ihre Entscheidung. Es ist keine Notwendigkeit, dass Menschen die Hälfte ihres Einkommens für Miete zahlen. Es ist Ihre Entscheidung. Und sie zeigt nichts anderes als Ihre Verachtung für die arbeitende Klasse in diesem Land.

(Beifall bei der Linken)

Statt Kürzungen fordern wir die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Abschaffung der Schuldenbremse, damit der Alltag in diesem Land wieder funktioniert. Sie, Herr Merz, sagen: „Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten.“ Ich sage: Es gibt eine Sache, die wir uns wirklich nicht mehr leisten können, und das sind Herr Merz, Herr Spahn und Co.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)