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Doppelte Standards: Deutschlands Außenpolitik zwischen Heuchelei und Komplizenschaft

Rede von Lea Reisner,

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Israel begeht einen Genozid in Gaza: Das sagt eine unabhängige UN-Kommission, das sagen internationale Völkerrechtler/-innen, das sagen Menschenrechtsorganisationen. Mehr als 64 000 Menschen sind inzwischen getötet worden, Hunderttausende verletzt. Kinder verhungern, weil Lebensmittel blockiert werden. „Ärzte ohne Grenzen“ kennt viele Kategorien von Leid, aber für Gaza musste sie eine neue finden: „Verletztes Kind, keine überlebende Familie“. Das Leben der Geiseln in den Händen der Hamas wird durch die Offensive auf Gaza-Stadt massiv riskiert. In der Westbank brennen Siedlermilizen Dörfer nieder und ermorden Palästinenser/-innen vor laufenden Kameras, während die Armee zusieht oder gleich mitmacht. Das ist die Realität.

Und die Bundesregierung? Sie liefert weiter Waffen, erkennt Palästina nicht an und verhindert auf EU-Ebene die Aussetzung des Assoziierungsabkommens. Sie schweigt, während hochrangige rechtsextreme israelische Politiker offen von Vertreibung und Annexion sprechen. Dabei werden sie unterstützt von einem US-Präsidenten, der von Immobiliendeals in Gaza träumt, während er sein eigenes Land in eine Autokratie verwandelt. Und Gaza ist kein Einzelfall. Im Sudan verüben die RSF-Milizen schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Massaker, Vergewaltigungen und Vertreibungen. Sie werden von den Emiraten unterstützt, und Deutschland genehmigt weiter Waffenexporte an genau diese Golfmonarchien. Das ist keine Wertepolitik, das ist Komplizenschaft.

(Beifall bei der Linken)

Ob als Teil des Grenzregimes der EU, als Verweigerer der Reparationszahlungen an Namibia wegen des Genozids an den Herero, Nama, Damara und San, als Verräter an der iranischen feministischen Revolution oder in Verhandlungen mit den Taliban: Deutschland ist wirklich alles andere als ein leuchtendes Beispiel humanistischer Politik.

(Beifall bei der Linken)

Diese Koalition nennt sich „Verantwortungskoalition“. Aber wo ist denn die Verantwortung für das Völkerrecht? Wo ist denn die Verantwortung für eine internationale Ordnung, die auf Regeln basiert und nicht auf nackter Macht? Wenn das Völkerrecht zur Verhandlungsmasse wird, gilt am Ende das Recht des Stärkeren. Für die Mächtigen heißt das: Profite, Einfluss, Waffenexporte. Für die vielen – ob in Palästina, im Sudan oder auch hier in Deutschland – heißt es: weniger Schutz, weniger Sicherheit, weniger Rechte. Die Außenpolitik dieser Bundesregierung heißt: doppelte Standards, Wegducken, Heuchelei.

Und genau das spiegelt sich auch in diesem Haushalt: viel Geld für diplomatisches Schaulaufen, zu wenig für das, was wirklich zählt. 6,1 Milliarden Euro für das Auswärtige Amt, aber für humanitäre Hilfe gibt es quasi Stillstand, während der Bedarf explodiert. Ein Auswärtiges Amt, dessen Antwort auf die Probleme dieser Welt dieser Haushalt ist, ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)