Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Was die AfD ja allen anderen hier voraus hat, ist diese unglaubliche Dreistigkeit.
(Stephan Brandner [AfD]: Mann! Jetzt aber!)
Der aktuelle Gesetzentwurf belegt es wieder aufs Schärfste. Maßstab dieser Debatte – Sie hatten es auch genannt – ist Artikel 21 Grundgesetz. Darin heißt es:
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. … Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben."
(Stephan Brandner [AfD]: Das steht dadrin! Genau!)
Schaut man in die Rechenschaftsberichte der Parteien, erfährt man: Dort werden gemäß Parteiengesetz verschiedene Beteiligungen an Medienunternehmen dargelegt. Nach aktuellem Stand des Wissenschaftlichen Dienstes sind Parteien bundesweit an 17 Medienunternehmen beteiligt, die 35 Publikationen herausgeben, darunter Mitgliederzeitungen und ähnlich Harmloses, was hier schon erwähnt wurde.
(Dr. Jürgen Martens [FDP]: Und auch der „Cicero“!)
Insgesamt zählt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger in Deutschland 333 Tageszeitungen, 22 Wochenzeitungen, 6 Sonntagszeitungen. Dass diese Vielfalt aus vor allem profitlogischen Gründen gerade bedroht ist und fünf private Medienunternehmen insgesamt 50 Prozent der messbaren Meinungsmacht in Deutschland innehaben, ist tatsächlich keine gute Entwicklung. Sie hat aber sehr wenig mit der ewigen AfD-Story altparteilicher Privilegien und Einflussnahmen zu tun; denn die Probleme, die an dieser Stelle angesprochen gehören, sind komplett andere.
(Stephan Brandner [AfD]: Da kennt Die Linke sich aus!)
Ich mache sie jetzt mal an fünf Punkten fest:
(Stephan Brandner [AfD]: Wo ist das SED-Vermögen eigentlich hin?)
Erstens. Bei der AfD gibt es im Rechenschaftsbericht zu Beteiligungsfragen im Medienbereich keine Angaben, null.
(Stephan Brandner [AfD]: Wo ist es? Österreich, oder?)
Klar, es gibt ja auch keine offiziellen Angaben zu rechtsradikalen Druckerzeugnissen wie dem „Deutschland Kurier“, die über Briefkastenfirmen, Strohmänner und Schwarzgeldkassen in der Schweiz produziert wurden.
(Jürgen Braun [AfD]: Wo ist das SED-Vermögen, Frau Achelwilm?)
Aber zum Glück gibt es Investigativjournalisten, und so wissen wir dank dem Recherchezentrum Correctiv und ZDF-„Frontal 21“, dank ARD-„Panorama“ und „Zeit Online“ von einem sehr AfD-freundlichen Verein, der allein im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren 2,6 Millionen Werbezeitungen und etliche Großplakate spendiert hat,
(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)
alles ohne jede Quellenangabe bei der direkt begünstigten AfD.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundestagsverwaltung und die Staatsanwaltschaften Bodensee und Essen ermitteln in dieser Sache. Es gab dazu Hausdurchsuchungen und ein Rechtshilfeersuchen an die Schweizer Behörden.
(Stephan Brandner [AfD]: In der Schweiz, höre ich gerade, ist das SED-Vermögen! Ist das richtig?)
Weil die AfD nun aber nach eigenem Rechenschaftsbericht nicht an Medienunternehmen beteiligt sein und auch nichts mit den ganzen Hilfsplakaten und Werbezeitungen zu tun haben will, wird hier die Flucht nach vorne versucht und diese Unsinnsdebatte hochgezimmert. Stattdessen sollten Sie mal lieber sagen, woher die Millionenspenden für die Plakate und Ihre schönen Wahlzeitungen kommen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Sie befruchten die Unsinnsdebatte hervorragend, Frau Achelwilm! – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Schon ist der Staatsanwalt dabei!)
Ehrlicher wäre auch gewesen und vielleicht ein Beitrag zu Ihrer vielbeschworenen Transparenz, wenn die AfD fordern würde, illegale Parteispenden nachträglich legal zu machen. Stattdessen stellen Sie sich hier mit komplett fehlender Selbsttransparenz,
(Stephan Brandner [AfD]: Wo ist denn das SED-Vermögen? Sagen Sie mal was! – Jürgen Braun [AfD]: Wo ist das SED-Vermögen? Wo sind die Milliarden der SED?)
Ihren einzig und allein eigennützigen Maßstäben und in Serie produzierten Fake-News-Anträgen über andere. Das ist einfach grotesk und lächerlich.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Ist das „Neue Deutschland“ Ihr Redekonzept?)
Zweitens. Das AfD-Verständnis von Medienvielfalt und Pressefreiheit geht so: Sie möchten am liebsten die eine große Zeitung oder den einen großen Sender, der die AfD nicht länger problematisiert, sondern voll unterstützt. Dass ich als eine von vielen strikt dagegen bin, hat nichts mit Konkurrenzneid oder mangelndem Demokratieverständnis zu tun,
(Stephan Brandner [AfD]: Mit Inkompetenz hat das zu tun! Mit nichts anderem!)
sondern zum Beispiel damit, dass Sie rassistische Inhalte verbreiten, die in einer demokratischen Gesellschaft mindestens als solche benannt und kritisiert gehören und nicht noch weiter normalisiert.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Weil es in den Medien nicht nur so läuft, wie Sie wollen, setzen Sie dann noch auf Verlautbarungsformate wie den YouTube-Channel „AfD Kompakt TV“, der ohne jeden störenden Kontext nur Sie und Ihre Show hier hofiert. Und so geht das alles weiter.
(Stephan Brandner [AfD]: Sind Sie neidisch, Frau Achelwilm?)
Drittens. Die AfD will keine Pressevielfalt und Transparenz, egal wie oft sie diese Worte in Überschriften schreibt. Sie schürt mit Hassbotschaften wie „Lügenpresse“ Gewalt gegen unerwünschte Journalisten und erteilt ihnen auf Parteitagen Hausverbot.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hass und Hetze!)
Sie zielt auf Einschüchterung und Ausgrenzung und gegen eine Medienelite, so Ihr Wort, deren vermeintliches Opfer Sie ja immer sind. Dabei ist gerade die AfD doch besonders gut versorgt. In Ihrer Funktionselite sitzen mehr abtrünnige Journalisten mit ehemals hohen Posten als in jeder anderen Partei, die hier vertreten ist.
(Stephan Brandner [AfD]: Den rechten Weg zurück gefunden!])
Um nichts dem Zufall zu überlassen, werden dann auch noch von wem auch immer bezahlte Bots im Internet eingesetzt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es zur Europawahl ein beträchtliches Netzwerk dubioser Accounts gegeben hat, deren einziger Zweck die Unterstützung von AfD-Postings ist.
(Stephan Brandner [AfD]: Nächste Verschwörungstheorie jetzt! Oijoijoi!)
Danach waren sie wieder verschwunden.
(Frank Pasemann [AfD]: Das ist doch Unsinn!)
Viertens gibt es mit Ihrem Gesetzentwurf ein verfassungsrechtliches Problem. Das gute Handwerk! Für das Presserecht sind nämlich die Bundesländer zuständig, nicht der Bundestag. Noch ein Tipp: In Hessen enthält das Landespressegesetz eine Klausel, die tatsächlich was für sich hat. Die Gesellschafter von Verlagen, also auch Parteien, müssen regelmäßig im Impressum genannt werden. Solche Regelungen in den Landespressegesetzen können tatsächlich mehr Transparenz schaffen. Darüber kann man mal nachdenken.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fünftens. Zur Wahrung von Pressevielfalt – ich komme zum Schluss – gelten kartellrechtliche und medienkonzentrationsrechtliche Vorgaben allgemein und damit auch für Beteiligungsholdings der Parteien. Als Linke fordern wir angesichts des Medienwandels, von Verlagsfusionen und dominanten Internetplattformen deutlich mehr Engagement für eine unabhängige Vielfaltsicherung. Wir brauchen neue Modelle zur Absicherung von unabhängigem Journalismus jenseits partei- oder regierungspolitischer Einflussnahme, nicht zu vergessen gestärkte Landesmedienanstalten zur Förderung von Medienkompetenz – all das auch, damit nicht länger durch rechte Fake News und Fake-Medien so viel Schaden angerichtet und Zeitverschwendung verursacht wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)