Frau Präsidentin! Liebe Menschen im Land! Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir nicht leichtfällt, über den 7. Oktober zu sprechen. Da kommen in mir sofort wieder die Gefühle von damals hoch. Ich habe da in Tel Aviv gelebt. Meine Liebsten und ich konnten zwei Tage später fliehen, aber so viele konnten es nicht.
Ich glaube, wir hier können kaum ermessen, wie groß das Trauma ist, das der 7. Oktober unter Jüdinnen und Juden in Israel und in aller Welt ausgelöst hat. So ein Terroranschlag ist immer furchtbar und kaum auszuhalten, aber am 7. Oktober kam noch mehr dazu. Denn die Gründungsidee des Staates Israel, nämlich Sicherheit für Jüdinnen und Juden in aller Welt zu schaffen, die Idee, die auch mir so am Herzen liegt, ist am 7. Oktober zutiefst erschüttert worden; denn am 7. Oktober gab es im Süden Israels keine Sicherheit. Dieses Trauma sitzt so tief, und es wird sich immer weiter fortsetzen, solange noch Geiseln gefangen sind und solange es keine Sicherheit für die Menschen in Israel und Palästina gibt.
Wir waren am letzten Wochenende im Austausch mit Yonatan Zeigen. Seine Mutter Vivian Silver ist wahrscheinlich die bekannteste Friedensaktivistin Israels gewesen. Sie lebte im Kibbuz Beeri, direkt an der Grenze zu Gaza. Auch der Kibbuz Beeri wurde am 7. Oktober überfallen. Yonatan Zeigen musste damals am Telefon live mithören, wie seine Mutter brutal ermordet wurde. Seitdem setzt er sich mit aller Kraft für den Frieden ein. An uns hier in Deutschland hat er eine sehr klare Bitte ausgesprochen. Wörtlich sagte er:
"„Ich erwarte von den Menschen in Deutschland, dass sie aufhören, unseren Konflikt zu importieren und anfangen, Lösungen zu exportieren, damit Israelis und Palästinenser, Juden und Muslime unter dem Banner des Friedens und einer gemeinsamen Zukunft zusammenarbeiten können.“"
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen anfangen, Lösungen zu exportieren. Genau darum geht es: Sicherheit und Frieden für Jüdinnen und Juden in Israel und in aller Welt und genauso auch Sicherheit und Frieden für Palästinenser und Palästinenserinnen in Gaza, in der Westbank und in aller Welt. Davon sind wir leider noch sehr, sehr weit entfernt.
Eine Freundin von uns lebt mit ihrem Mann in Israel. Sie ist Deutsche, er ist Israeli. Beide sind sehr gläubig, und beide wollen nur noch weg aus Israel, weil sie diesen brutalen Krieg nicht mehr ertragen, weil sie die rechtsextreme Regierung nicht mehr ertragen; aber sie trauen sich auch nicht nach Deutschland, weil der Antisemitismus immer stärker wird, immer gewalttätiger wird. Er ist ein gläubiger Jude, trägt Kippa, traut sich nicht nach Deutschland. Auch das ist unsere Aufgabe: Wir müssen uns dem Antisemitismus entgegenstellen, überall und ohne Wenn und Aber.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für uns Linke gilt ein ganz einfacher Grundsatz: Niemals darf ein Menschenrechtsverbrechen ein anderes Menschenrechtsverbrechen rechtfertigen. Niemals! Es gibt ja Versuche, den 7. Oktober mit einem Verweis auf das Unrecht der Besatzung zu rechtfertigen, und ja, die israelischen Regierungen treten das Völkerrecht seit Jahrzehnten mit Füßen. Alle Bundesregierungen haben den illegalen Siedlungsbau immer wieder kritisiert, und es war gut so, dass sie ihn kritisiert haben. Aber kein Unrecht der Besatzung kann diesen brutalen Terror des 7. Oktober rechtfertigen, begründen oder relativieren, niemals.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Andersrum gilt es ganz genauso. Wenn jetzt die brutale Kriegsführung in Gaza mit dem 7. Oktober begründet wird, dann müssen wir auch sagen: Nein, dieser schlimme Krieg in Gaza ist keine Selbstverteidigung. Nichts kann die Kriegsverbrechen in Gaza rechtfertigen, auch nicht der 7. Oktober.
(Beifall bei der Linken)
Geiseln sind so auch nicht befreit worden. Wir von den Linken sagen ganz klar: Menschenrechte sind unteilbar, für alle, in Israel wie in Palästina. Jedes Leben zählt.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)
Mit Blick auf Kairo ist jetzt das wichtigste Ziel die Freilassung aller Geiseln sofort und das Ende des Tötens in Gaza sofort. Das sind die beiden zentralen Ziele. Gerade jetzt in Kairo üben die arabischen Staaten Druck auf die Hamas aus, und das ist gut so, um einen Frieden zu erreichen.
Aber wir rufen auch die Bundesregierung auf, Druck auf Israel auszuüben, um einen Frieden zu erreichen. Und, Herr Wadephul, da reicht es nicht, jetzt nur über den „day after“ zu sprechen; Sie müssen auch über den Tag davor sprechen; denn Frieden wird es nur dann geben, wenn es auch Druck auf Israel gibt, und im Moment sind die Rechtsextremen in der israelischen Regierung nicht bereit für einen Frieden. Da braucht es auch wirtschaftlichen Druck, und davor drücken Sie sich bis jetzt. Ich finde das nicht richtig.
(Beifall bei der Linken)
Wir brauchen jetzt einen Erfolg der Friedensgespräche, damit der Wunsch von Yonatan Zeigen Wirklichkeit wird und Jüdinnen und Juden mit Palästinenserinnen und Palästinensern endlich gemeinsam an einer friedlichen Zukunft arbeiten können.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Serdar Yüksel [SPD])