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Gesine Lötzsch: Beenden Sie den Bildungsnotstand!

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die Finanzlöcher, die es im Bildungshaushalt gibt, eingehe, möchte ich etwas zu unseren Bildungszielen sagen. Wir als Linke sagen: Jede Schülerin und jeder Schüler muss wissen: Faschismus ist ein Verbrechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir auch den Finanzministern aller Ebenen: Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer die Verfolgten des Naziregimes finanziell strangulieren will, der legt die Axt an die Wurzel unserer Demokratie. Das müssen wir gemeinsam verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Swen Schulz ist schon darauf eingegangen: Bayern will beim Nationalen Bildungsrat nicht mitmachen. Baden-Württemberg will auch aussteigen. Das ist ein klares Signal der reichen Länder an die ärmeren: Konkurrenz statt Solidarität. Die Linke sagt: Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sage ich doch: Linkes Projekt!)

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe, warnt vor einem riesigen Finanzloch. Für die Digitalisierung werden nach Berechnungen dieser Gewerkschaft 21 Milliarden Euro benötigt. Der DigitalPakt sieht aber nur 5,5 Milliarden vor. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat uns gesagt: In den Bereichen Schule und Erwachsenenbildung fehlen Investitionen in Höhe von 42,8 Milliarden Euro. Und der Investitionsbedarf an Hochschulen und Universitätskliniken liegt nach Auskunft der Kultusministerkonferenz bei knapp 50 Milliarden Euro. Bildung wird von dieser Bundesregierung stiefmütterlich behandelt.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ach Quatsch!)

Das ist ein echtes Armutszeugnis für das Land der Dichter und Denker. So darf das nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundeshaushalt für Wissenschaft und Forschung stagniert in einer extrem dynamischen Welt, auch wenn versucht wurde, das hier schönzureden.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Nichts kapiert!)

Diese Regierung redet gern über die Reduzierung von Schulden, betet die schwarze Null an, sagt aber kein Wort über die Reduzierung des Bildungsniveaus in unserem Land. Es herrscht Bildungsnotstand. Die Bundesregierung hat es nur noch nicht gemerkt.

(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Es herrscht Ahnungslosigkeit bei Ihnen!)

Bis 2025 werden 100 000 Erzieherinnen und Erzieher benötigt. Ich sage Ihnen: Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, mehr Geld in die Bildung zu investieren.

(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau das machen wir! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Stimmt! Deswegen machen wir das auch!)

Für mehr Bildung müssen wir gar nicht mehr Schulden machen. Wir könnten uns ja mal an Vorschlägen aus den USA orientieren. Die Demokratin Elizabeth Warren hat einen Vorschlag für eine Superreichensteuer gemacht. Zahlen sollen sie nur Haushalte mit mehr als 50 Millionen Dollar Vermögen. Wie sich eine solche Superreichensteuer auf Deutschland auswirken würde,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die wandern aus!)

hat Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW, ausgerechnet. Das Ergebnis: 18 Milliarden Euro mehr. Bezahlt würde das von den reichsten 8 100 Haushalten, also von den obersten 0,02 Prozent. Ich sage Ihnen: 18 Milliarden Euro mehr für Bildung, das wäre doch einmal eine richtige Hausnummer. Damit könnte man wirklich etwas anfangen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann müssen Sie eine Mauer bauen, dass die hierbleiben!)

Der Bildungsnotstand trifft besonders die Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben. Nur ein Beispiel: Aktuell stehen den knapp 2,9 Millionen Studierenden in unserem Land bundesweit nur rund 240 000 öffentlich geförderte Wohnheimplätze zur Verfügung. Sie überlassen damit unsere Jugend den Immobilienspekulanten. Das darf doch nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Im aktuellen Wissenschaftsbarometer 2019 geht es um das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft. Das Vertrauen ist hoch, doch die Befragten erwarten von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass sie sich stärker in die öffentliche Debatte einbringen. Ich halte diesen Wunsch für sehr berechtigt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gerade jetzt, wo Menschen meinen, dass Wissenschaft eine Glaubensfrage sei, sollte die Wissenschaft beherzter in die Diskussion eingreifen. Ich weiß – das finde ich gut –, dass viele Klimaforscher die Bewegung Fridays for Future unterstützen.

(Zuruf des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])

Es ist auch gut, dass Students for Future in dieser Woche zum Klimastreik aufgerufen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Motto lautet: Wir diskutieren die Lösung und nicht die Ausreden. – Ich finde, dieses Motto sollte die Bundesregierung übernehmen und danach handeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erwarten, dass nicht nur die Klimaforscher aktiv werden, sondern alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler; denn es geht nicht nur um das Klima, es geht auch um die Wissenschaftsfreiheit und um unsere Demokratie.

Wir als Linke wollen, dass alle Kinder und alle Jugendlichen die gleiche Chance auf Bildung haben. Ich erinnere an einen Satz aus der bayerischen Verfassung. Da steht nämlich:

"Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden."

Ich habe den Eindruck, die bayerische Schule hat bei Herrn Söder versagt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)