Zum Hauptinhalt springen

Gesine Lötzsch: Bei Kurzarbeit und Mindestlohn muss die EU höhere Standards setzen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Milliarden Menschen auf der ganzen Welt leiden unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Und unser Land – ich glaube, davon sind die meisten in diesem Raum überzeugt – hat in dieser Zeit eine besondere Verantwortung, nicht nur für die Menschen hier, sondern auch für die Menschen in Europa und für die Menschen, über die bisher keine großen Rettungsschirme aufgespannt wurden. Ich denke aber auch – hoffentlich nicht nur ich – an die Flüchtlinge, die in Griechenland unter unmenschlichen Bedingungen leben. Auch ihnen müssen wir helfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Arbeitslosigkeit bedroht die Existenz vieler Menschen weltweit, und darum werden wir als Linke alle Schritte unterstützen, die dieser Gefahr der Arbeitslosigkeit entgegentreten. Die Hans-Böckler-Stiftung hat Regelungen zur Kurzarbeit in 16 europäischen Ländern untersucht. Die Spanne reichte damals von 60 Prozent in Deutschland bis zu Ländern, in denen die Beschäftigten trotz Kurzarbeit den vollen Lohn erhalten.

Wir, Die Linke, hatten gleich zu Beginn der Krise ein Kurzarbeitergeld von 90 Prozent gefordert, und alle Erfahrungen in der Krise zeigen uns: Diese Forderung war richtig. Wir fordern weiter für Deutschland ein Kurzarbeitergeld von 90 Prozent, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Auf Kosten von uns allen!)

Diese Regelung ist besonders für Beschäftigte kleiner und mittlerer Unternehmen wichtig; denn große Konzerne könnten es sich leisten, das Kurzarbeitergeld auch auf 100 Prozent anzuheben. Für viele Mittelständler ist das finanziell nicht möglich, und wir wollen soziale Gerechtigkeit in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Initiative der EU-Kommission findet also grundsätzlich unsere Unterstützung, und wir werden das ja im Ausschuss noch im Detail beraten.

Aber ich sage Ihnen auch: Es wäre gut, wenn solche Regelungen nicht nur während der Coronakrise gelten würden. Die EU muss die Krise nutzen, um endlich europäische Sozialstandards grundsätzlich für alle Mitglieder der Europäischen Union durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn was erleben wir auch hier an Diskussionen? Gerade gestern haben wir auch darüber gesprochen. Einflussreiche Kräfte in der Union versuchen, das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen. – Der Mindestlohn war Ihnen schon immer ein Dorn im Auge, und jetzt versuchen Sie, die Krise zu missbrauchen, um soziale Standards abzubauen. Wir sagen Ihnen ganz deutlich: Das ist zutiefst unchristlich.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Und schon jetzt leben Menschen, die nur einen Mindestlohn für ihre Arbeit bekommen, trotz Kurzarbeitergeld unter dem Existenzminimum. Deshalb fordern wir nicht nur eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, sondern wir fordern auch die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro die Stunde. Das ist unsere Forderung.

(Beifall bei der LINKEN – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: 13 Euro!)

Eine Antwort allerdings bleibt der Gesetzentwurf schuldig: Wer soll für die 100 Milliarden Euro aufkommen? Wir, Die Linke, wollen den Kampf gegen Corona mit dem Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit verbinden, und darum fordern wir eine Vermögensabgabe für das reichste Prozent der Bevölkerung. Es ist Zeit, Europa endlich gerechter machen.

(Beifall bei der LINKEN)