Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 21. September fand im Bundeskanzleramt ein Bildungsgipfel statt. Auf diesem Gipfel beschworen die Kanzlerin und auch die Ministerin, Frau Karliczek, die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für die Bildung. Aus dieser Beschwörung lassen wir Sie auch nicht mehr heraus, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Pandemie hat doch gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist. Aber was ist Ihnen eingefallen? Frau Karliczek, Sie sagen: Masken auf in der Schule, dicke Pullover anziehen. – Und unsere Kanzlerin hat heute den Vogel abgeschossen und hat den Kindern empfohlen, sie sollten in der Schule, wenn ihnen kalt ist, doch mal in die Hände klatschen und dicke Pullover anziehen und Kniebeugen machen. Ich finde, so kann man mit unserem Bildungssystem nicht umgehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Es ist schon gesagt worden: Es ist viel Geld zur Verfügung gestellt worden. Frau Karliczek, Sie haben vom Bundestag 5 Milliarden Euro für den DigitalPakt bekommen, und Sie schaffen es nicht, das Geld sinnvoll in die Schulen zu bringen. Das ist ein Armutszeugnis. So darf das nicht weitergehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat den Zugang zu Lernmitteln untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Während des Lockdowns im Frühjahr erhielten 36 Prozent der Gymnasien entsprechenden Fernunterricht, aber nur 25 Prozent der Haupt‑, Real- und Gesamtschulen.
(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)
Und nach dem Lockdown wurde die digitale Kluft noch größer. Kinder in Privatschulen hatten übrigens in der Zeit der Schulschließung häufiger Videounterricht als Kinder in öffentlichen Schulen. Das bestätigt: Die Digitalisierung der Schulen kommt nicht nur langsam voran, sondern die digitale Spaltung und die soziale Spaltung gehen auch miteinander einher. Das sind unhaltbare Zustände. So darf das nicht weitergehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich frage Sie auch: Warum gelingt es der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten nicht, den Unterricht in kleineren Gruppen zu organisieren und so Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler zu schützen? Wir haben Ihnen ja bereits in der vergangenen Sitzungswoche Vorschläge unterbreitet. Es gibt geschlossene Kinos, Theater und Konzertsäle. Warum werden diese nicht für den Schulunterricht genutzt? Es gibt Angebote von Jugendherbergen. Sie werden ausgeschlagen. Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Ich sage Ihnen: Es gibt auch viele Lehramtsstudentinnen und ‑studenten, die bereit wären, die Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen. Medizinstudenten haben sich im ersten Lockdown in den Krankenhäusern gemeldet. Warum soll das nicht auch mit Lehramtsstudenten möglich sein? Sie sind dazu bereit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
In Ihrem Geschäftsbereich, Frau Ministerin, befindet sich eines der größten Wissenschaftssysteme der Welt. Ich bin mir sicher, dass Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler freiwillig bereit wären, unseren Schulen bei der Digitalisierung zu helfen. Waren wir nicht das Land der Ideen, oder war das nur eine PR-Aktion? Meine Damen und Herren, hier muss es besser gehen, und Sie dürfen die Schulen nicht weiter hängen lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie lassen aber nicht nur die Schulen hängen; Sie lassen auch die Hochschulen hängen. Nach Angaben des Deutschen Studentenwerkes leben 200 000 Studierende in struktureller Armut. Das ist doch eine Verschwendung von Potenzial. Das können wir uns nicht leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Darum fordern wir als Linke endlich eine Studienfinanzierung, die jungen Menschen ermöglicht, ohne finanzielle Sorgen zu studieren. Das ist machbar, das ist finanzierbar – man muss es nur wollen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die soziale Spaltung in unserem Bildungs- und Wissenschaftssystem fängt in der Schule an und setzt sich bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fort. Viele von ihnen leben in prekären Verhältnissen; Arbeitsverträge sind zeitlich kurz begrenzt, sodass sie nur von der Hand in den Mund leben. Darum fordern wir als Linke einen Fonds von 3,4 Milliarden Euro für die Schaffung von Dauerstellen und verlässlichen Berufswegen.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Ich denke, diesem Antrag sollten Sie zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die prekäre Beschäftigung führt natürlich dazu, dass die Hochschulen gezwungen werden, Geld aus der Wirtschaft einzuwerben. Und immer mehr Konzerne wie Amazon, Facebook und Google versuchen, mit finanziellen Mitteln die Hochschulen von sich abhängig zu machen und die Forschung in ihrem Profitinteresse zu beeinflussen. Noch schlimmer ist es, dass sie darauf bestehen, dass viele Forschungsergebnisse geheim bleiben. Wir sagen: Das ist ein Angriff auf unser Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 5 Absatz 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Und diese Freiheit wird von Konzernen unterlaufen. Es darf nicht sein, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Wissenschaft finanzieren und nichts darüber erfahren, was an Forschungsergebnissen herauskommt. Wir müssen hier gründlich umsteuern, damit wir die Vorgaben unseres Grundgesetzes erfüllen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)