Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Wir haben abgetrieben!“ – das war 1971 der Titel auf dem Cover des „Stern“. 374 Frauen hatten damals den Mut, öffentlich zu sagen: Wir bestimmen über unseren Körper, wir bestimmen über unser Leben.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mehr als 50 Jahre später sollte man meinen, wir seien weiter. Doch heute erleben wir, dass Selbstverständlichkeiten wieder infrage gestellt werden. Rechte und Konservative wollen Frauen zurück in die Abhängigkeit drängen. Sie wollen unsere Selbstbestimmung einschränken. Erinnern wir uns nur an die Hetzkampagne gegen Frau Brosius-Gersdorf, weil sie es gewagt hat, ein modernes Abtreibungsrecht einzufordern!
(Gereon Bollmann [AfD]: Genau! – Martin Reichardt [AfD]: Da hat sie Kritik bekommen! Zu Recht!)
Währenddessen sehen wir auf Social Media ein Erstarken der alten Rollenbilder: Männer, deren einzige Rolle es sein soll, Geld nach Hause zu bringen, Frauen, die Abhängigkeit romantisieren, die das alte Ernährermodell wieder feiern.
(Birgit Bessin [AfD]: Wer möchte das?)
Über Altersarmut, finanzielle Abhängigkeit oder häusliche Gewalt reden sie nicht.
(Zuruf von der AfD)
Aber das ist die Realität: Wer Frauen auf Hausarbeit und Versorgungsrollen reduziert, riskiert Armut, Abhängigkeit und fehlende Teilhabe.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb brauchen wir Schutzräume, Beratung und staatliche Strukturen, die Frauen stärken. Dafür sollte der Staat da sein, und das sollte auch in diesem Haushalt stehen.
Diese Regierung rühmt sich damit, für Gleichstellung einzutreten. Schauen wir doch mal genauer hin: Sie sagen, Sie würden Frauen unterstützen, aber kürzen die Mittel für alle Schwangerschaftsberatungen – bis auf eine: Der katholische Verein Donum Vitae – übersetzt „Geschenk des Lebens“ – erhält 700 000 Euro.
Niemals.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Donum Vitae ist ein Verein, der dafür bekannt ist, Frauen unter Druck zu setzen, nicht abzutreiben. Alle anderen Beratungsstellen gehen leer aus. Eine ungewollt schwangere Person braucht keine Bevormundung und keine religiöse Propaganda. Sie braucht eine Beratung, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist.
Bei so viel Einsatz gegen Abtreibungen könnte man meinen, Ihnen läge etwas daran, das neu entstandene Leben zu schützen.
(Zuruf von der Linken: Richtig!)
Und man sollte doch erwarten, dass Ihnen auch das Leben der Kinder und Mütter wichtig ist. Wie sieht es damit aus? Im Kapitel für Gleichstellung, Frauenhäuser und Beratungsangebote streichen Sie über 70 Millionen Euro. Das bedeutet: Wenn eine Mutter überlastet ist, wenn sie körperlich oder mental nicht mehr kann, dann konnte sie bislang auf das Müttergenesungswerk vertrauen und dort eine Mutter-Kind-Kur beantragen, und genau da will die Regierung kürzen.
Wie sieht es aus, wenn eine Frau häusliche Gewalt erfährt? Bei den Frauenhäusern werden schon heute Menschen abgewiesen, weil es nicht genug Plätze gibt. Deutschlandweit fehlen rund 14 000 Frauenhausplätze. Und ausgerechnet da wollen Sie den Rotstift ansetzen! Das ist mir unverständlich.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Regierung zeigt jetzt schon, dass es ihr nicht daran gelegen ist, Frauen zu schützen. Diese Kürzungen sind ein Schritt in die absolut falsche Richtung. Eigentlich sollte die Regierung daran arbeiten, das Gewalthilfegesetz umzusetzen, das so dringend nötig ist.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Fast jeden Tag wird eine Frau getötet. Und die Zahlen steigen.
Im Weiteren tun Sie auch nichts für die Opfer sexueller Gewalt. Das sieht man auch beim Fonds Sexueller Missbrauch. Seit Jahren ist klar, dass er ausläuft und dass es eine neue, rechtssichere Form braucht. Statt eine verlässliche Lösung zu schaffen, lassen Sie Betroffene im Unklaren. Für viele ist dieser Fonds die einzige Möglichkeit, ihre Therapien zu finanzieren. Und Sie lassen sie hängen.
Ich kann diese großen Worte nicht mehr hören: Frauenrechte seien wichtig, Gleichstellung ein Ziel, Schutz vor Gewalt eine Priorität.
(Jörn König [AfD]: Gleichberechtigung, nicht Gleichstellung!)
In der Realität wird dann nichts getan. Und all dies geschieht in einer Zeit, in der für Rüstung Milliarden über Nacht bereitstehen. Für Panzer gibt es Sondervermögen, für Frauenhäuser Restposten. Eine einzige Fregatte der Bundeswehr kostet mehr als die gesamte jährliche Förderung aller Frauenhäuser in Deutschland. Ein einziges Kampfflugzeug ist teurer als alle Mutter-Kind-Kuren zusammen. Für militärische Großprojekte fließen Milliarden, während Schutzräume für Frauen, Beratungsstellen und Gleichstellungsprogramme um jede Stelle kämpfen müssen.
Deshalb sage ich Ihnen: Solange Milliarden in Aufrüstung fließen, während Frauenhäuser, Beratungsstellen und Schutzräume kaputtgespart werden, –
– ist Ihr Gerede von Gleichstellung nichts anderes als Heuchelei.
(Beifall bei der Linken)