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Gut reden allein reicht nicht, Herr Westerwelle

Archiv Linksfraktion - Rede von Jan van Aken,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Eines muss man Ihnen ja lassen, Herr Westerwelle: Richtig gut reden können Sie.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde aber, das reicht nicht. Sie sind jetzt Außenminister. Da geht es auch um Ihr Handeln, und das können Sie nicht so richtig gut ‑ nicht so gut wie hier reden. Es gibt oft eine sehr große Differenz zwischen dem, was Sie hier in Ihren Sonntagsreden verbreiten, und dem, was Sie draußen in der wirklichen Welt dann tun. Ich möchte einmal zwei Beispiele dafür nennen. Das eine ist die Abrüstung, das Zweite sind die Menschenrechte.

Abrüstung ist eines Ihrer Lieblingsworte. Das ist schön ‑ es ist auch eines meiner Lieblingsworte ‑; aber Sie tun leider immer genau das Gegenteil. Nehmen wir die Atomwaffen. Sie haben vor drei Jahren, zum Amtsantritt, hoch und heilig versprochen und groß angekündigt, dass endlich auch die letzten amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Drei Jahre später liegen sie nicht nur immer noch hier in Deutschland; sie werden jetzt auch noch modernisiert. Es kommen hochmoderne, ganz neue Atomwaffen nach Deutschland, die noch ganz andere Einsatzszenarien ermöglichen als zuvor. Das ist ganz praktisch Aufrüstung und keine Abrüstung, oder?

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nehmen wir uns einmal die Zahlen vor; es ist eine Haushaltsdebatte hier. Sie kürzen den Etat für Abrüstung schon wieder: auf jetzt 36 Millionen Euro. Seitdem Sie Außenminister sind, haben Sie den Etat für Abrüstung praktisch halbiert: von 64 Millionen auf jetzt nur noch 36 Millionen Euro. Das finde ich schon schlimm genug für jemanden, der immer das Wort „Abrüstung“ benutzt.

Aber was wirklich ganz schlimm ist, das ist die Begründung. Sie sagen: Es gab einige große Projekte. Die sind ausgelaufen. Diese 28 Millionen Euro können wir jetzt einsparen. ‑ Was ist das denn für eine Begründung? Herr Westerwelle, Sie sind Außenminister der Bundesrepublik Deutschland. Sie dürfen auch eigene Projekte anfangen. Sie dürfen Abrüstungspolitik auch ganz aktiv selbst gestalten. Sie könnten 28 Millionen Euro in die Hand nehmen, um aktive Abrüstungspolitik zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen einfach nur: Da läuft etwas aus; das stelle ich jetzt ein. ‑ Ich meine, wenn das alle Ihre Kolleginnen und Kollegen Minister machen würden, dann könnten wir in ein paar Jahren in Flensburg an der Grenze ein Schild aufstellen: „Geschlossen wegen Totalausverkauf“ oder so etwas.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Sie tun gar nichts für Abrüstung, aber Sie tun ganz viel für Aufrüstung. Wir haben uns den gesamten Haushalt einmal angeschaut und sind fündig geworden, zum Beispiel bei Ihrem Kollegen im Verteidigungsministerium. Da werden 927 Millionen Euro für neue Waffen, für neue Militärtechnologien ausgegeben. Das ist 25-mal so viel wie Ihr mickriger Etat für Abrüstung. Das ist ganz praktisch Ihre Prioritätensetzung: 25-mal so viel für Aufrüstung wie für Abrüstung. Das wäre ja in Ordnung, wenn Sie dazu stehen würden. Nehmen Sie hier in diesem Haus nie wieder das Wort „Abrüstung“ in den Mund, wenn Sie 25-mal so viel Geld für Aufrüstung ausgeben!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche bei den Menschenrechten. Sie haben eben hier wieder Ihre Solidarität mit den Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt betont. Auch das ist schön, aber völlig unglaubwürdig, wenn Sie gleichzeitig Panzer an Saudi-Arabien verkaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hatten das hier schon Dutzende von Malen. Ich sage es aber noch einmal: In Saudi-Arabien werden die Menschenrechte mit Füßen getreten. Frauen haben da praktisch gar keine Rechte. Dort wird gefoltert. Meinungsfreiheit gibt es gar nicht. Ihre oder jedenfalls unsere Werte zählen gar nichts mehr, wenn die knallharten Interessen im Vordergrund stehen: gute Beziehungen zum Königreich Saudi-Arabien ‑ und das nicht deshalb, weil der König so ein netter Kerl ist, sondern ganz schlicht und einfach deshalb, weil es da viel, sehr viel Öl gibt und weil man mit Panzerverkauf viel Geld verdienen kann. Das ist Ihr praktischer Umgang mit Menschenrechten. Bitte benutzen Sie dieses Wort hier nicht wieder, solange Sie Panzer an Saudi-Arabien verkaufen!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte zum Schluss kurz auch noch etwas zu Syrien sagen. Seit über einem Jahr fordern Sie eine politische Lösung und ein Ende der Gewalt. Das ist gut; das tun wir auch. Nur, was haben Sie ganz praktisch dafür getan? Vor über einem Jahr, als die Gewalt noch ganz allein von Assad ausging, haben Sie nichts dafür getan, dass alle Konfliktparteien zusammen an einen Tisch kommen. Sie haben auch nichts getan, als Saudi-Arabien, Katar und die Türkei anfingen, Rebellengruppen zu bewaffnen, mit Waffen auszurüsten und auch noch militärisch auszubilden. Sie haben sogar weiter Waffen an genau diese Länder ‑ Saudi-Arabien, Katar, Türkei ‑ geliefert, die die Waffen wiederum an die Rebellengruppen liefern, und damit haben Sie ganz aktiv den Bürgerkrieg in Syrien sogar noch weiter befördert. Wir finden es auch komplett falsch, dass Russland Waffen an Assad liefert; aber genauso falsch ist es doch, wenn Saudi-Arabien Waffen an die Rebellen liefert. Sie tun nichts, aber auch gar nichts dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann sind Sie an einer Eskalation sogar noch direkt beteiligt, nämlich mit Ihrem Spionageschiff, das offenbar Informationen direkt an Rebellengruppen gibt, damit direkt in diesen Bürgerkrieg mit eingreift und somit eben nichts für ein Ende des Krieges tut, sondern, genau im Gegenteil, ihn befeuert.

Herr Westerwelle, gut reden allein reicht nicht. Ich finde, in den letzten drei Jahren haben Sie in der Außenpolitik nicht viel zustande bekommen.

(Widerspruch bei der FDP)

Aber bei Friedenspolitik, bei Abrüstung und bei Menschenrechten haben Sie komplett versagt.

(Zuruf von der FDP: Nein!)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen exportieren sollte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)