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Haushalt 2025: Keine Lösungen, nur Phrasen.

Rede von Ines Schwerdtner,

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Bei uns in Berlin-Lichtenberg läuft der Alltag nur, weil Menschen in der Pflege, bei der Bahn und in den Kitas alles geben. Sie halten das Land am Laufen, und sie merken als Erste, wenn es bröckelt: Busse fallen aus, Kitas haben Wartelisten, Jugendzentren kürzen ihre Öffnungszeiten, von den Schuldächern tropft es. Genau das zeigt, wie unser Sozialstaat gerade ausgehöhlt wird.

Menschen zahlen ein, sie schuften, sie vertrauen auf Sicherheit und erleben stattdessen steigende Preise, kaputte Infrastruktur und wachsende Unsicherheit. Und dann heißt es hier im Parlament: Keine Sorge, wir machen einen Extratopf mit 500 Milliarden Euro auf. – Das klingt erst einmal gigantisch. Aber unten, wo die Probleme sind, kommt davon fast nichts an, weil das Geld gar nicht direkt in die Kommunen fließt, sondern in komplizierte Fördertöpfe, auf die sich Bürgermeister erst bewerben müssen. Wer kein eigenes Planungsbüro hat, der geht leer aus – zu viel Papierkram, zu viele Hürden, zu wenig Planungssicherheit. Der Bund hat sogar die Pflicht gestrichen, feste Anteile an die Kommunen weiterzugeben. Jetzt ist völlig offen, wie viel von diesem Geld dort wirklich ankommt.

Hinter all diesen bürokratischen Spielregeln stehen Menschen, die längst auf Lösungen warten. Ich spreche hier für die, die morgens um fünf die Bahn nehmen müssen und nachts um drei nach Hause kommen, für die, die keine Lobby hier im Parlament haben, sondern nur den Wunsch, dass ihre Kinder gut zur Schule kommen und abends sicher wieder nach Hause. Sie brauchen keine Versprechen, sondern konkrete Verbesserungen, und das sofort.

(Beifall bei der Linken)

500 Milliarden Euro an Sondervermögen für Investitionen und Klimaschutz, das klingt erst mal nach großer Rettung. In Wahrheit ist es viel Ankündigung und ganz wenig Tempo. Das Geld wird über die nächsten zwölf Jahre verteilt, real wahrscheinlich sogar noch viel länger. Dieses Jahr fließt erst einmal ein großer Batzen, aber danach geht es scheibchenweise weiter.

Für die Bundesländer sind gerade mal 100 Milliarden Euro vorgesehen. Das klingt auch erst mal üppig; das sind aber nur rund 8,3 Milliarden Euro pro Jahr für alle Länder. Pro Kopf macht das etwa 99 Euro im Jahr, also gut 8 Euro im Monat. Wenn man dann berücksichtigt, dass die Hälfte gar nicht ankommt, sind es 4 Euro im Monat. Sie können sich es ungefähr vorstellen: Von 4 Euro im Monat werden nicht ausreichend Schulen gebaut, werden keine Busse mehr fahren. Das wird nicht ausreichen.

Der Investitionsstau ist kein Zahlenspiel; er ist brutal sichtbar: Über 200 Milliarden Euro fehlen allein in Städten und Gemeinden für das Nötigste. Das sind keine abstrakten Tabellen; das sind Brücken kurz vor der Sperrung, das sind Jugendtreffs mit verkürzten Öffnungszeiten und PCs an Schulen, die älter sind als die Schüler selbst. Ein Sondervermögen, das im Jahr nur kleine Raten ausschüttet, kann den riesigen Investitionsstau nicht ernsthaft abbauen. Genau das bestätigt übrigens auch der Bericht des Bundesrechnungshofes; das wüssten Sie, wenn Sie ihn einmal gelesen hätten. Um diesen Stau wirklich abzubauen, braucht es keine Almosen, sondern richtige Größenordnungen. Wir wissen: Wir brauchen rund 60 Milliarden Euro pro Jahr. Alles darunter ist Augenwischerei, Herr Merz.

(Beifall bei der Linken)

Sie hier im Plenum sehen die Zahl „100 Milliarden“ und halten das für ausreichend, weil es in Ihren Excel-Tabellen so aussieht. Aber Zahlenkolonnen sagen nichts über das echte Leben aus. Wer wie Sie ständig hin- und herchauffiert wird oder in der Bahn in der ersten Klasse sitzt, der merkt natürlich nicht, was dieser Investitionsstau bedeutet.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: O Gott, ist das flach!)

Man merkt es erst, wenn man trotz teurem Ticket vier Stunden im Gang steht. Man merkt es erst, wenn man den Anschluss verpasst oder für eine einfache Strecke ein halbes Vermögen bezahlt. Fahren Sie doch einmal mit der Regionalbahn in NRW! Dann wissen Sie, was das Problem in diesem Land ist.

(Beifall bei der Linken – Stephan Brandner [AfD]: Es gibt viele Probleme! – Felix Schreiner [CDU/CSU]: Das machen wir doch!)

Genau das ist die Wirklichkeit da draußen und der Beweis, wie weit Ihre Politik vom echten Leben entfernt ist.

Neulich erzählte mir ein Bürgermeister, dass er Erzieherinnen entlassen muss, nicht weil er sie nicht braucht, sondern weil sich die Gemeinde die Erzieherinnen nicht mehr leisten kann. Das ist die Realität hinter Ihren großen Zahlen. Da fällt der Spätdienst in der Kita weg, und die Mütter müssen es kompensieren. So sieht es aus, wenn Politik von oben entscheidet und unten die Quittung bezahlt wird.

(Beifall bei der Linken)

Überall läuft das Leben schon auf Anschlag. Und dann kommen Sie, Herr Merz und Herr Klingbeil, und erzählen, man müsse den Gürtel enger schnallen. Währenddessen machen Sie Ihren reichen Freunden Steuergeschenke. Und bei mir stehen die Menschen in der Sozialsprechstunde Schlange, weil sie mit ihren Nebenkosten nicht mehr klarkommen. Ich sage: Nicht die Pflegekraft sollte den Gürtel enger schnallen, sondern die Milliardäre in diesem Land.

(Beifall bei der Linken)

Wissen Sie, meine Vorstellung ist einfach: ein Land, in dem Wohnen bezahlbar ist und jeder zum Arzt gehen kann, ohne dass jemand wie Herr Streeck ihm noch eine Praxisgebühr abknöpfen will. – Das ist übrigens eine Schande. Zahlen Sie lieber selbst in die gesetzliche Krankenkasse ein, und lassen Sie die Leute in Ruhe!

(Beifall bei der Linken – Kay Gottschalk [AfD]: Das macht’s nicht besser, Frau Schwerdtner!)

Damit diese einfachen Dinge Realität werden, braucht es eine klare Entscheidung. Wir müssen Wohnungen und Krankenhäuser wieder selbst bauen und betreiben – öffentlich und nicht für die Profite privater Investoren. Und das Geld holen wir dort, wo es liegt: bei den Milliardären. Entscheiden sollen die, die es wirklich betrifft – Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Betriebsräte, Elternräte –, nicht Lobbyisten in irgendwelchen Hinterzimmern, Frau Reiche.

(Beifall bei der Linken)

Wir sagen: Die Mieten müssen runter; dafür braucht es einen Mietendeckel. Lebensmittel müssen bezahlbar sein. – Das sind einfache und klare Forderungen. Und was hören wir hier von der anderen Seite, die ganze Woche schon? Keine Lösungen, keine konkreten Vorschläge,

(Kay Gottschalk [AfD]: Die kriegen Sie gleich, Frau Schwerdtner!)

die ganze Woche nur Phrasen und immer die gleichen Kampfbegriffe gegen uns – jetzt kommt es –: „Sozialismus“,

(Kay Gottschalk [AfD]: Natürlich!)

„Sommernachtstraum“, „Planwirtschaft“. Herr Spahn warnt ja vor „sozialistischen Träumen“, wenn wir über faire Mieten reden. Wenn wir sagen: „Kein Kind soll hungern“, kommen Sie mir mit der DDR. Merken Sie überhaupt, wie absurd das klingt, was Sie hier sagen?

(Beifall bei der Linken)

Während draußen Familien überlegen, ob sie die Heizung anmachen können, führen Sie hier ideologische Scheindebatten. Das ist keine ernsthafte Politik; das ist bloß ein Ablenkungsmanöver. Sie haben Angst vor echter Veränderung und davor, dass die Menschen sich das zurücknehmen, was ihnen zusteht.

(Beifall bei der Linken)

Zum Schluss – wir sind in der Schlussrunde, und dies ist die letzte Rede von uns als Linke

(Kay Gottschalk [AfD]: Die letzte Rede? Das wäre schön!)

in dieser Haushaltsdebatte – geht mein Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sekretariat. Wir hatten in diesem Sommer einiges durchzustehen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Anträge der AfD haben zu sehr viel Zeitverschwendung geführt.

Wissen Sie, in meinem Wahlkreis in Berlin-Lichtenberg gibt es einen Mädchentreff mit zwei großartigen Sozialarbeiterinnen. Der Träger leidet wie alle in Berlin

(Kay Gottschalk [AfD]: Wo ihr größter Nettoempfänger im Länderfinanzausgleich seid! Well done!)

unter den Kürzungen, und sie finden niemanden, der dort als Verstärkung arbeiten kann, um den jungen Mädchen mit Sport und gesundem Essen ihren Alltag zu erleichtern. Sie werden angegriffen von Männern und von rechten Gruppen; sie haben Angst. Aber Beatrix von Storch, die als Direktkandidatin in Berlin-Lichtenberg gegen mich angetreten ist und krachend verloren hat, weiß davon natürlich nichts, weil sie nicht zu den Menschen geht, weil die AfD nie zu den Menschen geht,

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD)

weil Beatrix von Storch als Adlige aus dem Westen dachte, sie könnte im Osten einfach gewinnen, weil sie lieber eine Sitzungswoche hier schwänzt, um für einen peinlichen PR-Gag in die USA zu fahren und mit Trump zu plaudern,

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

weil sie in Wahrheit die Menschen verachtet, die sie zu vertreten beansprucht, so wie Alice Weidel die Menschen in diesem Land verachtet, weil sie hier nicht mal Steuern zahlt.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie stellen sich gerne als Partei des kleinen Mannes dar, aber in Wahrheit sind Sie genau das Gegenteil. Das zeigt sich schon daran, wer Sie unterstützt: Oligarchen, Milliardäre, reiche Unternehmer.

(Kay Gottschalk [AfD]: Die wollten Sie erschießen! 1 Prozent könne man erschießen, nicht?)

Sie können mich gern so oft abmahnen, wie Sie wollen. Ich werde nicht aufhören, das zu sagen. Wer solche Unterstützer hat, wird niemals Politik für die arbeitenden Menschen machen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kay Gottschalk [AfD]: Sie lassen gerade die Maske fallen, Frau Schwerdtner!)

Ich möchte, dass diese jungen Frauen aus dem Mädchentreff in Lichtenberg in Sicherheit aufwachsen. Was Sie alle hier machen, trägt zur Verrohung in diesem Land bei, weil Kürzungen im Sozialen der Boden ist, auf dem Neid und Angst wachsen, weil die Militarisierung, die Sie mit diesem Haushalt vorantreiben, der Boden für mehr Gewalt und Krieg in der Welt ist. Ich möchte nicht, dass junge Menschen in den Schulen lernen, dass es normal ist, zur Bundeswehr zu gehen und auf andere Menschen zu schießen.

(Beifall bei der Linken)

Weil Sie es in dieser Woche nicht ein einziges Mal geschafft haben, darüber zu sprechen, dass in diesen Minuten Gaza-Stadt eingenommen und bombardiert wird und Zehntausende Kinder hungern und sterben, weil Sie nichts tun, um diesen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung zu verhindern, trägt Ihre Politik zur Verrohung bei.

Die Menschen verdienen einen Staat, der funktioniert. Sie verdienen ein Parlament und keinen Politzirkus. Sie verdienen Wahlen, auch zu Verfassungsrichtern, und kein Chaos. Sie verdienen die Aufklärung von Maskendeals. Sie verdienen Respekt vor ihrer Lebensleistung. Sie alle verdienen sichere Jobs.

(Beifall bei der Linken)

Sie verdienen ein Leben in Würde und Sicherheit. Die Menschen verdienen eine andere Politik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)