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Hightech-Agenda ist Ablenkungsmanöver

Rede von Sonja Lemke,

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Zum Tag der offenen Tür hat sich das Forschungsministerium auf Social Media als „das magischste Ministerium der Bundesregierung“ bezeichnet. Und dieses Video ist ja auch irgendwie ehrlich. Denn was macht Magie aus? Im echten Leben vor allen Dingen die erfolgreiche Ablenkung des Publikums. Und genau so ein Ablenkungsmanöver ist die Hightech Agenda. Ablenken muss die Bundesregierung davon, dass sie auf zentrale Herausforderungen wie die Klimakatastrophe, die zunehmende Faschisierung der Welt und die wachsende Vermögensungleichheit keine Antworten hat. Ablenken muss sie auch davon, dass ihre gesamte Politik eine Maschine zur Umverteilung von unten nach oben ist. Auf der einen Seite werden Sozialstaat und Arbeitnehmer/-innenrechte zusammengestrichen, auf der anderen Seite liefert die Hightech Agenda Förderprogramme, die das Geld dann über Unternehmen nach oben befördern.

(Beifall bei der Linken)

Dafür ist die Hightech Agenda dann voll mit magischen Lösungen. Nehmen wir das Thema Kernfusion. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag hat im letzten Jahr einen ausführlichen Bericht über Kernfusion veröffentlicht. Darin wird wissenschaftlich dargelegt, warum Fusionskraftwerke noch Jahrzehnte brauchen werden und was die zentralen Fragen dabei sind. Nur ein Beispiel sei hier genannt: die Versorgung mit Tritium. Davon gibt es im Moment weltweit ganze 26 Kilogramm.

(Dr. Michael Kaufmann [AfD]: Das kann man erzeugen!)

Es wird ein bisschen schwierig, wenn man damit industriell Kernfusion betreiben will.

(Stefan Schröder [AfD]: Ja, wenn man seine Kraftwerke abschaltet! Wo wird denn Tritium erzeugt?)

Diesen wissenschaftlichen Bericht nennt die Ministerin gestern im Ausschuss „nicht technologieoptimistisch“ genug und legt ihn beiseite; denn die Idee der Bundesregierung ist ja, über Start-up-Förderung einen magischen Innovationsbooster zu erschaffen, mit dem das Ganze dann – hex-hex! – doch viel schneller geht.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Ja, das ist das Gegenteil von Staatswirtschaft, die Sie kennen!)

Aber fragen Sie doch mal die besagten Start-ups nach den im TAB-Bericht benannten Problemen.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das haben wir in der Anhörung gemacht! Sie waren nur nicht dabei!)

Da werden Sie genauso wenig Antworten bekommen wie ich. Aber die Unternehmen sitzen ja in München, da ist das dann genauso egal wie bei den Flugtaxis.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Meine Güte!)

Apropos Flugtaxis: Sie schaffen es auch, in einer Agenda ein ganzes Kapitel über klimaneutrale Mobilität zu schreiben, ohne dass auch nur ein einziges Mal das Wort „Zug“ oder „Bahn“ fällt, das einzige Verkehrsmittel, das jetzt schon problemlos klimaneutral fährt. Aber mit weiteren Scheinlösungen wie autonomem Fahren und E-Fuels versuchen Sie, davon abzulenken, wie schlecht es um unser Schienennetz und die Zuverlässigkeit der Bahn gerade steht. Dabei brauchen wir jetzt einen öffentlichen Nahverkehr, der gut ausgebaut und für alle bezahlbar ist.

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Florian Müller [CDU/CSU])

Aber statt Probleme zu lösen, rennt die Bundesregierung halt wieder Hypes hinterher. Es soll zum Beispiel massiv in KI investiert werden, ohne dass der überbordende Energieverbrauch überhaupt thematisiert wird. Im Moment ist kein einziges KI-Unternehmen profitabel; niemand macht gerade Geld mit KI. Und die Nutzung geht auch gerade zurück. Aber Sie wollen trotzdem jetzt AI-Gigafactories bauen.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Die ganze EU!)

Was bringen die uns, wenn jetzt die Blase platzt, weil der Stromverbrauch für das, was man damit bietet, einfach zu teuer ist?

Dazu kommt: KI befördert soziale Ungleichheit,

(Florian Müller [CDU/CSU]: Dann schaffen wir die KI ab!)

indem sie die Vorurteile, die in ihren Trainingsdaten stecken, verstärkt und die Arbeit, die in diese Daten geflossen ist, unsichtbar macht. Da sollten wir uns gerade jetzt umso mehr Gedanken machen, wo sich der Einsatz von KI überhaupt lohnt oder ob nicht andere Herangehensweisen sinnvoller sind.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Mit dieser Einstellung hätte es auch kein Auto gegeben!)

Denn auf all die Probleme, die die KI mit sich bringt, haben wir gerade keine Antworten, und eine ehrliche Hightech Agenda sollte darauf ausgelegt sein, zu diesen Antworten zu kommen.

(Beifall bei der Linken)

Wir sollten die Schwerpunkte so legen, dass sie die großen gesellschaftlichen Herausforderungen angehen, und das sind eben die Klimakatastrophe, die Faschisierung und die wachsende Vermögensungleichheit. Das sind keine Probleme, die wir allein mit Technologie irgendwie lösen können, sondern es braucht breite gesellschaftliche Veränderungen. Damit wir das angehen können, brauchen wir ein solides Forschungs- und Wissenschaftssystem, das eine ausreichende Grundfinanzierung hat. Wir müssen Bildung für alle zugänglich machen, und dazu gehören nicht nur gute Schulen, sondern auch ein BAföG, das das Studium wirklich finanziert. Und wir müssen endlich für gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sorgen und dafür Sorge tragen, dass es dort auch langfristige Perspektiven gibt.

Aber weil Sie all das nicht angehen wollen, nennen Sie sich lieber „Zaubereiministerium“ und versuchen, uns mit Scheinlösungen und Ablenkungsmanövern bei Laune zu halten. Aber das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

(Beifall bei der Linken)