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Iran: Sanktionsspirale beenden - Kriegsgefahr stoppen

Archiv Linksfraktion - Rede von Jan van Aken,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Genau in diesen Minuten finden in Bagdad die Gespräche mit dem Iran über das Atomprogramm statt. Ich glaube, man kann gar nicht überbetonen, wie wichtig ein Erfolg dieser Gespräche ist. Es geht hier im Moment um Krieg oder Frieden. Im Moment steht immer noch die Drohung im Raum, dass die iranischen Atomanlagen bombardiert werden. Wenn das passiert, dann kommt es ganz sicher zu einem Flächenbrand in der ganzen Region, den kein Mensch mehr kontrollieren kann. Diesen Krieg müssen wir unbedingt stoppen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte vorab auf die Faktenlage eingehen. Es geht um den Vorwurf, dass der Iran im Moment an der Atombombe baut. Der Hintergrund dafür ist dieser Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation, IAEO, aus dem letzten November. Ich habe mir diesen Bericht genau angesehen. Ich muss dazusagen: Ich selbst habe früher bei den Vereinten Nationen als Biowaffeninspektor gearbeitet. Ich selbst habe solche Berichte geschrieben. Ich habe mir diesen Bericht von vorne bis hinten durchgelesen, jedes einzelne Wort, und ich kann Ihnen versichern: Er enthält kein einziges Wort über ein aktuelles Atomwaffenprogramm des Iran, nichts. Er enthält sehr viele Fakten ‑ ich bezweifele sie nicht ‑, die sich alle auf ein Atomwaffenprogramm im Iran vor dem Jahr 2003 beziehen. Dieser Bericht selbst besagt: Dieses Programm wurde im Jahr 2003 eingestellt. Für die neun Jahre danach bis hin zur Gegenwart besagt dieser Bericht: Es gibt aktuell keinen Hinweis auf ein iranisches Atomwaffenprogramm.

Der Leiter der IAEO war hier in Berlin. Als wir ihn nach einem solchen Programm gefragt haben, hat er gesagt: Nein, die IAEO hat keine eigenen Hinweise darauf, dass im Iran in den letzten neun Jahren versucht wurde, Atomwaffen herzustellen. Das deckt sich mit der Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste. Auch sie sagen: Wir glauben, das iranische Atomwaffenprogramm wurde 2003 eingestellt.

(Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagen sie nicht!)

Das sind die Fakten.

Ich weiß, Sie haben sämtliche Überschriften in der Weltpresse im November gelesen. Dort hieß es: Der Iran steht kurz davor, die Atombombe herzustellen. ‑ Das stimmt alles nicht. Ich glaube, Sie sollten diesmal weniger der Presse, sondern mehr dem Bericht der IAEO glauben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage ist natürlich: Was heißt das jetzt für die aktuelle Politik? Natürlich ist das Misstrauen gegenüber dem Iran berechtigt. Dieses Misstrauen habe ich auch. Andersherum gilt natürlich ebenfalls: Das Misstrauen des Iran gegenüber dem Westen ist berechtigt. Auch dafür gibt es viele Gründe. Wenn wir aus dieser Situation herauskommen wollen, wenn die Gespräche ein Erfolg sein sollen, dann brauchen wir eine Wiederherstellung des Vertrauens auf beiden Seiten.

Das Falscheste, was man im Moment machen kann, was die Bundesregierung macht ‑ wo ist eigentlich ein Vertreter des Außenministeriums?

(Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär: Kommt! Ist unterwegs!)

Offensichtlich ist die Bundesregierung bei dieser Iran-Debatte nicht vertreten ‑, ist, die Sanktionen immer weiter zu verschärfen. Ich verweise auf das für den Sommer geplante Ölembargo und darauf, dass alle Finanztransaktionen gegenüber dem Iran eingefroren werden sollen. Damit schrauben Sie die Sanktionen auf den höchstmöglichen Stand überhaupt. Glauben Sie, Sie können damit Vertrauen schaffen? Glauben Sie, Sie können damit Gespräche zum Erfolg führen?

Wer jetzt das Argument äußert: „Na ja, ohne den Druck wäre der Iran überhaupt nicht gesprächsbereit“, der lügt sich komplett in die Tasche. Ein solcher Weg hat noch nie funktioniert, und er wird auch hier nicht funktionieren. Wenn man den Druck auf ein Land von außen extrem erhöht, dann wird dort ‑ das ist doch immer so ‑ die Wagenburg aufgebaut und setzen sich die Hardliner durch. Diejenigen im Iran, die Gespräche wollen, haben dann kaum noch eine Chance, sich durchzusetzen. Noch haben sie eine Chance. Im Moment setzen sich in Teheran wie in den USA diejenigen durch, die gesprächsbereit sind. Aber wenn Sie nicht bereit sind, die Sanktionen zurückzufahren, dann werden Sie keinen Erfolg bei den Gesprächen erzielen, dann wird es den Angriff auf den Iran geben, dann werden wir Krieg haben. Das können Sie nur verhindern, wenn Sie die Sanktionen zurücknehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt ein zweites, für mich sehr starkes Argument gegen die Sanktionen. Ich würde hier heute eigentlich lieber über die Menschenrechtssituation und über den Demokratisierungsprozess im Iran reden. Vor zwei Jahren waren Millionen von Menschen in Teheran auf der Straße, um gegen Ahmadinedschad zu demonstrieren. Und jetzt? Im März waren wieder Wahlen in Teheran. Kein einziger Mensch traut sich mehr auf die Straße. Natürlich ist die Wagenburg aufgebaut. Natürlich ist der Druck nach innen jetzt so groß, dass jeder, der den Mund aufmacht, gleich ein Landesverräter ist, dem die Todesstrafe droht. Wenn Sie den Demokratisierungsprozess unterstützen wollen, auch dann müssen Sie diese Sanktionen zurücknehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die einzige Chance, bei den Gesprächen in Bagdad in diesen Tagen sowie in den nächsten Wochen und Monaten zum Erfolg zu kommen, ist, dass sich auch die Bundesregierung bereit erklärt, Druck herauszunehmen und das vertrauensbildende Angebot zu machen: Wir nehmen die Sanktionen zurück; dafür lässt der Iran die Inspektoren in andere Anlagen hinein. - Das wäre der beste Weg zum Frieden.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Für den Iran gilt das schon jetzt. Deutschland sollte aber zum Beispiel auch nach Israel, das gerade damit droht, den Iran anzugreifen, keine Waffen mehr exportieren. Deutschland sollte auch nicht in irgendein anderes Land der Welt Waffen liefern.

Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)