Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Seit einem Jahr demonstrieren im Jemen Hunderttausende für Freiheit, für Demokratie und für ein Ende des Regimes. Dass der alte Präsident Salih jetzt gegangen ist, ist ein Anfang. Aber machen wir uns nichts vor: Das System des alten Präsidenten lebt fort. Seine Söhne kontrollieren den Militär- und Polizeiapparat, seine Partei ist auch in der Übergangsregierung vertreten. Der Übergangspräsident ist sein früherer Stellvertreter.
Nur zur Erinnerung: Jemen ist das ärmste Land der Arabischen Halbinsel. 45 Prozent der Menschen, fast die Hälfte, leben unter der Armutsgrenze, und über die Hälfte der Menschen ist arbeitslos. Schon in wenigen Jahren werden die letzten Ölquellen im Jemen versiegen, und dann fallen noch einmal 70 Prozent des Staatshaushaltes weg. Dieses Land wird dann endgültig im Chaos versinken, wenn jetzt nicht die richtigen Weichen gestellt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Gleichzeitig ist die Menschenrechtssituation katastrophal. Im Norden kommt es mit den Huthi immer wieder
zu ganz schweren Kämpfen, genauso wie im Süden, wo immer mehr Menschen eine Abspaltung anstreben. Bis zu freien und fairen Wahlen – ich denke, da sind wir uns alle einig – ist es noch ein langer, steiniger Weg. Wer sich am Ende durchsetzt und welches System dann kommt, das hängt maßgeblich von der internationalen
Politik ab.
An diesem Punkt möchte ich gerne konkret fragen: Was tut die Bundesregierung im Moment, und was sollte sie eigentlich tun? Es nützt doch relativ wenig, immer wieder mit vielen schönen Worten die friedlichen Proteste in Sanaa und anderswo zu unterstützen und gleichzeitig den wichtigsten Unterstützern des alten Regimes Panzer und eine Waffenfabrik zu liefern. – Ja, ich spreche von Saudi-Arabien. Was glauben Sie denn, was Saudi-Arabien macht, sobald die von Deutschland gelieferte Waffenfabrik in die Produktion geht? Man wird in Zukunft, wie in den letzten Jahren, die unterdrückerischen Teile des Regimes mit deutscher Waffentechnologie unterstützen. Das finde ich einfach falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Antwort auf die Frage, warum die Bundesregierung so etwas liefert, ist relativ einfach: weil Saudi-Arabien ein geschätzter Wirtschaftspartner ist. Jedes Jahr verkauft Deutschland dorthin Waren im Wert von rund 5 Milliarden Euro. Das nimmt man in Kauf, obwohl Saudi-Arabien nicht nur die eigene Bevölkerung unterdrückt, sondern in den letzten Jahren immer wieder auch massiv in den Nachbarländern, auch im Jemen, eingegriffen hat und die unterdrückerischen Regime dort unterstützt hat. Damit muss Schluss sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])
Wenn Sie wirklich eine friedliche Entwicklung im Jemen unterstützen wollen, dann tun Sie vor allem eines: Sorgen Sie dafür, dass der Dialog im Jemen innerhalb Jemens bleibt! Sorgen Sie dafür, dass die Eigeninteressen anderer Länder herausgehalten werden! Sorgen Sie dafür, dass die Interessen des Golfkooperationsrates, der hier so gelobt wird, dass die Eigeninteressen Saudi-Arabiens, der Amerikaner und auch der deutschen Wirtschaft aus der Region und aus der jemenitischen Politik herausgehalten werden! Das bedeutet ganz konkret, die Gewalt im Jemen nicht noch dadurch zu befeuern, dass man weiterhin Waffen in die Region liefert. Damit können Sie aufhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Das heißt auch, dass die Bundesregierung endlich ihre Stimme dagegen erhebt, dass die USA ihren Terrorkrieg auch in den Jemen tragen und dort Menschen durch Drohnen gezielt töten. Auch das befeuert die Gewalt; auch das verhindert einen friedlichen Dialog im Jemen. Das bedeutet, auf Saudi-Arabien dahin gehend einzuwirken, dass es mit der Einmischung im Jemen endlich aufhört. Ich kann die lobenden Worte, die von allen Seiten für den Golfkooperationsrat zu hören sind, nicht verstehen.
(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe ihn nicht gelobt!)
– Ja. Sie kommen nicht von allen Seiten, etwa nicht von den Grünen. – Dahinter stehen massive Interessen – die Führung dabei hat Saudi-Arabien –, durch die gerade das alte Regime stabilisiert worden ist. Mich würde wirklich interessieren, wie das Abkommen ausgesehen hätte, wenn der Golfkooperationsrat nicht mitgewirkt hätte. Vielleicht wären wir dann ein ganzes Stück weitergekommen.
Die Menschen im Jemen wollen den gesellschaftlichen Wandel; aber den können sie nur selber herbeiführen. Ich finde es völlig richtig, alles zu unterstützen, was den Dialog unterstützen kann. Man kann zum Beispiel die Wahlen finanziell oder organisatorisch unterstützen, insbesondere dort, wo es Sinn macht und wo es gewollt ist, Friedensfachkräfte einzusetzen oder vor Ort auszubilden.
Das alles sind Dinge, die Sie von hier aus machen können, solange Sie die Eigeninteressen ausblenden. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, nicht in den Jemen, nicht nach Saudi-Arabien und auch in kein anderes Land der Welt.
Ich bedanke mich bei Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)