Zum Hauptinhalt springen
Foto: Rico Prauss

Justiz am Limit

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! „Whatever it takes“ – koste es, was es wolle –: Das ist das Motto der Bundesregierung, wenn es um Milliarden für Panzer und Raketen geht. Ich verhandle auch den Einzelplan 14, und daher weiß ich, wie das geht.

Für den Rechtsstaat gilt dieses Mantra leider, leider nicht. Dabei ist er das Fundament, auf dem unsere Demokratie steht. Was passiert, wenn das Fundament bröckelt? Dann wird das ganze Gebäude ins Wanken geraten. Gerade hat der Generalbundesanwalt gewarnt, dass die Justiz in unserem Land am Limit steht. Knapp eine halbe Milliarde Euro ab 2026 haben Sie, Frau Ministerin, nun für offene Stellen in der Justiz angekündigt, um diese Stellen zu besetzen und die Digitalisierung voranzubringen. Das ist ausdrücklich richtig. Das unterstützen wir. 210 Millionen Euro für Personal wollen Sie den Ländern geben, um den Berg an über 1 Million unerledigter Fälle allein bei den Staatsanwaltschaften abzutragen. Auch das ist ein richtiger Schritt. Unsere Unterstützung haben Sie dafür. Da sieht man im Übrigen, dass das Sondervermögen auch vernünftig eingesetzt werden kann.

An der Stelle gestatten Sie mir allerdings einen Einschub zur rechtlichen Umsetzung des Sondervermögens. Hören Sie, was der Bundesrechnungshof jüngst zum Sondervermögen gesagt hat: Erfolgskontrollen – Fehlanzeige, Gesetzesziele – Fehlanzeige. – So darf man nicht mit den Steuern der Bürgerinnen und Bürger umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Das ist nichts anderes als ein Misstrauensvotum der Rechnungsprüfer gegenüber der gesamten Bundesregierung.

210 Millionen Euro für Justizpersonal, aber gleichzeitig 24 Milliarden Euro in diesem Jahr aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Dimensionen stimmen nicht, meine Damen und Herren. Ihre Prioritäten stimmen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich will den Koalitionsvertrag zitieren. Da steht:

"„Zur Schließung von Strafbarkeitslücken prüfen wir, inwieweit der strafrechtliche Schutz für gezielte, […] unerwünschte und erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen erweitert werden kann.“"

(Sonja Eichwede [SPD]: Gut so!)

Frau Bundesministerin, Sie haben jetzt angekündigt, Ihr Haus prüfe, wie das sogenannte Catcalling, was ja nichts anderes als sexuelle Belästigung von Frauen und Mädchen ist, unter Strafe gestellt werden kann. Übelste verbale sexualisierte Attacken sind keine harmlose Anmache von ewiggestrigen Männern. Das ist Gewalt, und Gewalt gehört bestraft. Das ist in diesem Sinne im Übrigen Opferschutz.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen und Mädchen vor Männern geschützt werden, die solches Verhalten als normal ansehen.

Und die Union? Die Union spricht ernsthaft davon, dass sich dieses Vorhaben nicht durchsetzen lässt. Meine Damen und Herren, das ist zynisch. Es ist nicht die Aufgabe von Frauen, Straftaten zu ertragen. Es ist die Aufgabe von Polizei und Justiz, diese zu ahnden. Und es ist unsere Aufgabe, dass die Justiz in die Lage dazu versetzt wird, meine Damen und Herren. Und das geschieht mit diesem Etat leider nicht ausreichend.

(Beifall bei der Linken)

Unsere Unterstützung, wenn Sie das durchsetzen wollen, Frau Ministerin, haben Sie; denn Frauen müssen besser vor männlicher Gewalt, nicht nur vor verbaler, geschützt werden.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zum Wohnungsmarkt. Es ist ja so, dass der deutsche Wohnungsmarkt außer Kontrolle geraten ist. Normalverdiener, selbst Besserverdiener träumen längst nicht mehr von einem eigenen Haus oder von einer Eigentumswohnung. Die sind ja glücklich, wenn sie eine bezahlbare Mietwohnung finden. Aber nirgendwo zeigt sich das Politikversagen so grell wie am Wohnungsmarkt, nicht weil eine Mietpreisbremse fehlt; die gibt es ja. Aber sie bremst nicht. Sie ist ein Papiertiger, den Sie jetzt zwar bis 2029 verlängert haben, aber unzureichend nachschärfen wollen. Mietwucher muss sofort gestoppt werden. Das wäre dringend notwendig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Auch weil die Ministerin sieht, dass diese Bremse nicht bremst, haben Sie eine Kommission eingesetzt – Vorschläge in eineinhalb Jahren. Aber ich sage noch mal: Mietwucher muss sofort gestoppt werden.

Meine Damen und Herren, die Mieten steigen jeden Monat. Aber Sie reagieren im Schneckentempo. Die Bundesregierung hat schon mehr Kommissionen eingesetzt, als sie Monate im Amt ist. Das ist keine Politik, das ist organisierte Arbeitsverweigerung, meine Damen und Herren. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken)